Wissenschaftlicher Kommentar zum Buch Esra/Nehemia für die Kommentarreihe Herders theologischer Kommentar zum Alten TestamentAntrag auf Gewährung einer Sachbeihilfe (Modul Vertretung)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Gewährung der Sachbeihilfe (Modul Vertretung) diente dazu, am „Wissenschaftlichen Kommentar zum Buch Esra/Nehemia (Esr/Neh) für die Kommentarreihe Herders theologischer Kommentar zum Alten Testament“ zu arbeiten. Zentrale Aufgabe ist hierbei, das theologische Profil des Buches Esr/Neh und die Aussagen zur Identitätskonstruktion Israels in nachexilischer Zeit herauszuarbeiten. Das Buch Esr/Neh ist nicht zuletzt aufgrund seines literargeschichtlichen Werdens und der verwendeten sprachlichen Gestaltungsformen in seinen Antworten mehrstimmig. Die Gestalt des Buches zeichnet sich durch eine wohl überlegte Gesamtstruktur, durch die Verknüpfung von Erzählungen, Listen und Gebeten, die in der Form einer Geschichtsdarstellung zusammengebunden werden, und durch vielfältige thematische und motivliche Verweise aus. Um die Verweisstrukturen im Kommentar gut abzubilden, wurde eine Arbeitsweise gewählt, bei der parallel je eine Einzelperikope sowie die allgemeine Einleitung bearbeitet werden. Auf diese Weise sind bisher Esr 9.10, Neh 1,1-7,3 und Neh 8-13* in Verknüpfung mit der allgemeinen Einleitung bearbeitet. Für Esr 7-Neh 13 wurde erstmals die Struktur befriedigend beschrieben, indem zwei sich überlagernde Gliederungssysteme angenommen werden. Mit Blick auf die Frage nach der Identitätskonstruktion sind folgende wichtige Aspekte zu nennen. Aus den Selbstbezeichnungen und den Benennungen der „Anderen“ kann gefolgert werden, dass man sich als Ethnie, als Judäer versteht. Da in den Texten merkwürdig unbestimmt bleibt, was mit Trennung gemeint ist, scheint nicht die Grenzziehung zu den Völkern das zentrale Thema zu sein. Vielmehr wird eine Diskussion um verschiedene Zugehörigkeitskriterien geführt. Die selbstverständlich vorausgesetzten Wohnräume in der östlichen Diaspora und in Juda zeigen, dass ein gemeinsamer Lebensraum als Kriterium der Zugehörigkeit aufgegeben ist. Dagegen wird die gemeinsame geographische Herkunft aus Juda unterstrichen. Durch das Buch Esr/Neh schreibt sich die östliche Diaspora mit ihrer Exilserfahrung und mit ihrem gemeinsinnigen Engagement für den Tempel und die Stadt Jerusalem in die Geschichte Israels ein. Die Personenlisten betonen die Bedeutung der Registrierung und die Einteilung in kultischen und Familieneinheiten. Als Begründungsressourcen für die Identitätskriterien dienen die in der Geschichte erfahrbare Wirkmächtigkeit JHWHs, die Tora als Grundlage für Handlungsentscheidungen, aber auch die politische Macht, die in den Edikten der Perserkönige präsent ist. Dabei lässt sich anhand der Texte die gängige Vorstellung widerlegen, dass Tora im Buch Esr/Neh einen schriftlichen Text, näherhin den Pentateuch meint, auf dem man sich als Grundlage verpflichtet hat, der evtl. qua Reichsautorisation Gesetz wurde und aus dem von einer Expertengruppe / von Schriftgelehrten / Priestern (weitere) Normen abgeleitet werden. Tora ist im Buch Esr/Neh vielmehr als aktuelle autoritative Unterweisung zu verstehen, aus der im Konsens gefundene Handlungsoptionen abgeleitet werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Searching Forces of Group Cohesion in the Books of Nehemiah and Isaiah“. In: S. Gillmayr-Bucher und M. Häusl (Hg.), Sedaqa and Torah in postexilic Discourse. Bloomsbury, 2017. 9780567673558 (The Library of Hebrew Bible/Old Testament Studies, 640)
Maria Häusl