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Städtebau unter Franco und Salazar, Stadtproduktion iberischer Diktaturen im europäischen Kontext

Fachliche Zuordnung Städtebau/Stadtentwicklung, Raumplanung, Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Landschaftsplanung
Förderung Förderung von 2013 bis 2021
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 241818406
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Der Städtebau der Diktaturen, vor allem auf der iberischen Halbinsel, war bisher kein Thema der Städtebaugeschichtsschreibung, auch nicht der allgemeinen Geschichtsschreibung. Selbst in Spanien wie Portugal fehlen Gesamtporträts des Städtebaus dieser Zeit. Erst recht gibt es keine Forschungen, die sich mit diesen Diktaturen in einer europäischen Perspektive beschäftigt haben. Als wir begannen, den Städtebau der iberischen Diktaturen des 20. Jahrhunderts zu erforschen, stellten wir fest, dass die Unterschiede zwischen Portugal und Spanien es nicht erlauben, beide in einer einzigen Monographie abzuhandeln. Portugal war in Richtung Atlantik und seiner Überseeprovinzen orientiert, Spanien nach Europa. Kolonien waren für Spanien nicht mehr entscheidend, für Portugal sehr wohl. Spanien hatte zudem einen Bürgerkrieg erlitten, der den Städtebau der Francozeit entscheidend prägte. Daher haben wir zwei Monographien erarbeitet, die aber einem gemeinsamen Forschungsansatz folgen. Mit Blick auf die beiden Diktaturen sprechen wir – in Abgrenzung von marktwirtschaftlich oder kommunalwirtschaftlich orientierten Städtebaupraxen – von zwei iberischen Varianten des staatswirtschaftlichem Städtebaus. Diese Variante des Städtebaus impliziert die Ausschaltung der Kommunen als autonome Körperschaften, die Konzentration von finanziellen, rechtlichen, personellen und institutionellen Ressourcen auf zentralstaatlicher Ebene und die Schwerpunktsetzung auf Infrastruktur und Wohnungsbau. Die Periode des staatswirtschaftlichen Städtebaus bis hinein in die zweite Hälfte der 1950er Jahre war der Gegenstand unserer Forschung. Aufgrund der unterschiedlichen Herausforderungen entwickelten sich in beiden Staaten sehr unterschiedliche Schwerpunkte des Städtebaus. Der koloniale Städtebau war in Portugal bei weitem bedeutender als Spanien, während umgekehrt die Binnenkolonisation und der Wiederaufbau in Spanien einen herausragenden Stellenwert einnahm. Beide Staaten legten ihren Schwerpunkt auf den Wohnungsbau, überzogen zudem ihre Territorien mit zahlreichen Stauseen, bauten die Verkehrsinfrastruktur aus und entwickelten ambitionierte Universitätsstädte. Einzigartig war dagegen der umfangreiche Burgenbau in Portugal. In formaler Hinsicht war der Städtebau in Portugal wie in Spanien starken ausländischen Einflüssen ausgesetzt – französischen, italienischen, englischen und deutschen Einflüssen. Auffällig sind in den großen Städten Portugals und dessen Kolonien die langen, geraden, durch große Rundplätze gegliederte Straßen (Avenidas), die beliebig verlängerbar und daher sehr flexibel waren. Ganz im Gegensatz dazu standen die sehr beliebten ornamentalen Formen des Städtebaus vor allem in den Stadterweiterungsgebieten der großen Städte, aber auch in neuen ländlichen Siedlungen oder in den Kolonien. Im Alltag aber dominierte ein agglomerierter Städtebau, der die zahlreichen Stadtbausteine – Schulen, Kirchen, Markthallen usw. eher addierte, als in einen gestalteten städtebaulichen Zusammenhang zu bringen. Die Vorbereitung neuer Pläne für die spanischen Großstädte in den 1940ern und 1950ern Jahren zeichnet sich durch den Versuch, ein in Europa breit diskutiertes und auf eine starke Funktionstrennung zielendes „polyzentrisches Modell“ durchzusetzen. In Spanien wurden, etwa in ländlichen Regionen, im Zuge des Wiederaufbaus und der Binnenkolononisation traditionelle städtebauliche Elemente eingesetzt, vor allem die plaza mayor, die oft zum Kristallisationspunkt eines Neudorfes wurde. Die Forschungsergebnisse bereichern nicht nur die Kenntnis der europäischen Städtebaugeschichte, sie schärfen auch den Blick auf den Städtebau in anderen Diktaturen, etwa in Deutschland. Sie klären zudem die Formen diktatorischer Modernisierung. Und sie sind nicht nur von historischem Interesse: „Städtebau und Diktatur“ bewegt Europa bis heute. In diesem Sinne sind unsere Forschungsergebnisse auch ein Beitrag zur aktuellen Auseinandersetzung um Erinnerungskultur in Europa.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Städtebau und Diktatur in Europa: Sowjetunion, Italien, Deutschland, Portugal, Spanien. Schwerpunktheft Forum Stadt 1/2014 (119 S.)
    Harald Bodenschatz/Max Welch Guerra (Hg.)
  • Urban Design for Mussolini, Stalin, Salazar, Hitler and Franco (1922- 1945). In: Planning Perspectives 3/2014 (S. 81-92)
    Harald Bodenschatz
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/02665433.2014.901185)
  • Urbanism and Dictatorship. A European Perspective. Basel 2015. Birkhäuser Verlag. (248 S.)
    Harald Bodenschatz/Piero Sassi/Max Welch Guerra (Hg.)
  • A New Master Plan for the “Gran Madrid Capital de España” after the Civil War. In: Hein, Carola (ed.): International Planning History Society Proceedings, 17th IPHS Conference, History-Urbanism-Resilience, TU Delft 17-21 July 2016, TU Delft Open, 2016, 357-367
    Piero Sassi
  • Hauptstadt und Diktatur. Städtebau in Berlin, Rom, Lissabon, Moskau, Madrid. Mit Beiträgen von Christian von Oppen, Thomas Flierl, Max Welch Guerra, Tilman Harlander. Hg. vom Werkbund Berlin. Berlin 2016
    Harald Bodenschatz (Hrsg.)
  • The cultural influence of refugees, a European perspective. In: Carrondo, Carla/Marinho, Cristina/Ribeiro, Nuno Pinto (Hg.): O estranho e o estrangeiro no Teatro. Strangeness and stranger in Drama. Porto 2016, S. 199-206
    Oppen, Christian von
  • Städtebau unter Salazar Modernisierung der Portugiesischen Welt (1928-1960), Berlin : DOM publishers, 495 S.
    Harald Bodenschatz/Max Welch Guerra (Hg.)
  • Städtebau als Kreuzzug Francos : Wiederaufbau und Erneuerung unter der Diktatur in Spanien 1938-1959, Berlin : DOM publishers, 414 S.
    Max Welch Guerra/Harald Bodenschatz (Hg.)
 
 

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