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Komplementärzerspanung - Simulationsgestützte Analyse eines in den Zerspanungsprozess integrierten Oberflächenverfestigungsverfahrens zur gezielten Erzeugung nanokristalliner Randschichten

Fachliche Zuordnung Beschichtungs- und Oberflächentechnik
Spanende und abtragende Fertigungstechnik
Förderung Förderung von 2013 bis 2022
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 242346722
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Bei der Komplementärzerspanung erfolgt eine mechanische Oberflächenbehandlung von Werkstückoberflächen in einem der Zerspanung nachgelagerten Prozessschritt durch das Zerspanungswerkzeug, ohne dass ein Werkzeugwechsel erforderlich ist. Dabei verfährt das Schneidwerkzeug in entgegengesetzter Richtung zur Zerspanung über die Bauteiloberfläche. Durch Kontakt der Freifläche des Werkzeugs mit der Werkstückoberfläche kann eine hohe Verformung in der Randzone induziert werden, in deren Folge eine gesteigerte Lebensdauer des bearbeiteten Bauteils resultiert. In diesem Vorhaben wurde ein umfangreiches und tiefgehendes Prozessverständnis der Komplementärzerspanung am Beispiel des Werkstoffs 42CrMo4 gewonnen. Mit Hilfe von FEM-Simulationen wurde der Einfluss der Gestalt und der Mikrogeometrie der Schneidkante verstanden. Durch Implementierung eines Verschleißmodells nach Usui & Shirakashi et al. 1978 konnte die Verschleißrate lokal aufgelöst an der Schneidkante bestimmt werden. Die Simulationen haben gezeigt, dass bei niedrigen Bearbeitungsgeschwindigkeiten die niedrigsten Temperaturen und höchsten Prozesskräfte während der mechanischen Oberflächenbehandlung vorliegen, was die zu erwartenden Druckeigenspannungen nach der Bearbeitung in der Bauteilrandschicht begünstigt. Die Mikrogeometrie hat den größten Einfluss auf die Temperatur und Prozesskräfte. Einflüsse durch die Makrogeometrie und Orientierung des Werkzeuges sind von untergeordneter Bedeutung. Das simulierte Verschleißverhalten zeigt eine größere thermische Belastung für verrundete Schneidkanten, als dies für eine Schneidkante mit Fase der Fall ist, unabhängig des Formfaktors. Durch eine experimentelle Validierung konnten die Erkenntnisse aus der Simulation bestätigt werden. Hierfür wurden unbeschichtete Werkzeuge aus unterschiedlichen Substraten (Hartmetall und Cermet) mit Fasen versehen und experimentell Prozesskräfte, der Werkzeugverschleiß und Bauteilzustände (Eigenspannungen und Rauheiten) ermittelt. Es konnte gezeigt werden, dass eine niedrige Bearbeitungsgeschwindigkeit vst = 10 m/min zu den größten Prozesskräften und den niedrigsten Werkstücktemperaturen führt, was wiederum förderlich für das Einbringen von Druckeigenspannungen in die Randschicht ist. Der Einsatz von Werkzeugen mit einer Beschichtung ermöglicht eine Komplementärzerspanung ohne Kühlschmierstoff, für unbeschichtete Werkzeuge führt dies jedoch zu frühzeitigem Werkzeugbruch. Es wird daher der Einsatz von Kühlschmierstoffen empfohlen. Der Einfluss verschiedener Kühlschmierstrategien wurde auf resultierende Bauteilzustände untersucht. Zielgrößen waren hierbei die Topographie und die Wahl des Werkzeuges. Ebenso wurde die Kühlschmierstrategie jeweils für die Teilprozesse Zerspanung und mechanische Oberflächenbehandlung variiert. Es zeigt sich, dass bei der Kühlschmierstrategie einer Zerspanung, als auch mechanischen Oberflächenbehandlung mit Hilfe von Kühlschmierstoff die höchsten Zeitfestigkeiten erreicht werden. Die geringste Zeitfestigkeit der komplementärzerspanten Zustände weisen Proben mit einer rein kryogenen Bearbeitung auf, wobei dennoch eine deutliche Steigerung der Zeitfestigkeit im Vergleich mit dem zerspanten Zustand zu beobachten ist. Der Einfluss der Kühlschmierstrategie auf den Eigenspannungszustand zeigt für eine kombinierte Strategie mit Kühlschmierstoff und flüssigem Stickstoff Eigenspannungen stets größer derer einer reinen kryogenen Bearbeitung oder Bearbeitung mit Kühlschmierstoff. Zurückführen lässt sich dies auf den thermischen Verzug des Werkzeuges und Werkzeughalters beim Wechsel des Kühlmediums. Dieser führte zu einer ungewollten Veränderung der Zustellung bei der mech. Oberflächenbehandlung und somit zu veränderten Prozessgrößen. Für die reine kryogene Bearbeitung und Bearbeitung mit Kühlschmierstoff liegen vergleichbare Eigenspannungsverläufe vor. Hieraus folgt, dass die Erzeugung von Druckeigenspannungen wesentlich durch die vorliegenden mechanischen Kontaktbedingungen beeinflusst wird. Abschließend wurden die lebensdauersteigernden Effekte an eine Welle aus 42CrMo4 bewertet. Hier wurden die Bauteilzustände konventionell hergestellter Wellen mit denen komplementärzerspanter Wellen verglichen und Prozesszeiten gegenübergestellt. Die Verfahrenskombination der Komplementärzerspanung stellt durch die Vielzahl der Einflussfaktoren ein komplexes Forschungsfeld dar, zu dem im Rahmen des Projekts eine Handlungsempfehlung für eine optimierte Bearbeitungsstrategie abgeleitet wurde. Werkzeuge mit Fasen sind Werkzeugen mit Schneidkantenverrundungen zu bevorzugen. Die besten und stabilsten Ergebnisse werden unter Verwendung von Kühlschmierstoff erzielt. Die Prozessparameter ast = 10 µm, vst = 10 m/min, f st = 0,05 mm/U führen zu einer deutlichen Steigerung der Schwingfestigkeit von 42CrMo4 im Vergleich zum zerspanten Zustand.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018), Entwicklung und Analyse eines mechanischen Oberflächenbehandlungsverfahrens unter Verwendung des Zerspanungswerkzeuges, Shaker Verlag, Aachen. ISBN: 9783844063127
    Gerstenmeyer, M.
  • (2018), „Influence of Complementary Machining on fatigue strength of AISI 4140“, CIRP Annals - Manufacturing Technology, S. 583-586
    Gerstenmeyer, M.; Zanger, F. & Schulze, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.cirp.2018.04.103)
  • (2019), „Adjustment of Lifetime- Increasing Surface Layer States by Complementary Machining“, HTM Journal of Heat Treatment and Materials, Band 3, S. 181-190
    Gerstenmeyer, M.; Hartmann, J.; Zanger, F. & Schulze, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3139/105.110376)
  • (2020), „Complementary Machining: Effect of tool types on tool wear and surface integrity of AISI 4140 “. Procedia CIRP 87, Hrsg. Procedia CIRP, S. 89-94
    Schwalm, J.; Gerstenmeyer, M.; Zanger, F. & Schulze, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.procir.2020.02.035)
  • (2020), „Komplementärzerspanung – Zerspanung und mechanische Oberflächenbehandlung in einer Aufspannung/Complementary Machining – machining and mechanical surface treatment in one clamping“, wt Werkstattstechnik online, 110(11-12), S. 743–747
    Schwalm, J.; Liu, Y.; Söllner, Y.; Gerstenmeyer, M.; Zanger, F. & Schulze, V.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.37544/1436-4980-2020-11-12-7)
 
 

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