Detailseite
Projekt Druckansicht

Das Mittelrheintal als imaginary landscape. Imagination und Gestaltung einer Landschaft als Auseinandersetzung mit der sozialen und politischen Ordnung in der Moderne, ca. 1750-2010

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2013 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 242894361
 
Zumindest in der Geschichtswissenschaft werden Landschaften oft unter dem Aspekt der Naturbeherrschung beschrieben oder aber wie eine Art räumlichen Container behandelt, innerhalb dessen eine spezifische Wirtschafts- oder Sozialgeschichte stattfindet. Wahrnehmungen dagegen gelten vielen Historikern trotz des visual turn als subjektiv und verzerrend. Für Kulturwissenschaftler dagegen werden reale Landschaften manchmal zugunsten ihrer kulturellen Konstruktion nahezu vollständig ausgeblendet. Es gilt deshalb, die materielle (veränderbare) Realität von Landschaften sowie Wahrnehmungsprozesse und Repräsentationen von Landschaften analytisch aufeinander zu beziehen, um weder Wahrnehmungen an einer vermeintlich objektiv gegebenen Realität zu vermessen noch diese Realität als bloße Ableitung von Imaginationen zu begreifen.Das Projekt will zeigen, wie komplex Imagination, Projektion, Bild und Realität verflochten sind und welche Bedeutung das für die Gesellschaftsgeschichte des 19. und 20. Jahrhunderts hat, indem die Frage der Politisierung von Landschaften untersucht wird. Dazu soll der Begriff der imaginary landscape als analytische Perspektive eingeführt werden, um auszudrücken, dass es um die Wahrnehmung von Landschaften in Form von Imaginationen geht, und dass diesen Landschaften ein bestimmtes Image eignet, das durch lang andauernde, sich aufschichtende Projektionen entstanden ist. Dieses Image wiederum konnte materiell modelliert, also baulich realisiert werden. Solche (aber nicht alle) Landschaften konnten dann als Gestaltungsfläche für soziale Utopien dienen, als Erinnerungsort der eigenen nationalen Vergangenheit, als Gegenentwürfe zur modernen Zivilisationen oder eine soziale oder politische Ordnung geradezu naturalisieren. Dieser Konnex ist jedoch vielschichtig; eine imaginary landscape ist nie durch eine eineindeutige Beziehung zwischen realer Landschaft, Projektion und Gestaltung gekennzeichnet und zeitigt jeweils unterschiedliche (politische) Effekte.Am Beispiel des Mittelrheins soll das in einem Längsschnitt von etwa 1750 bis in die Gegenwart untersucht werden. Dieser Flussabschnitt gehört zu den deutschen Kernlandschaften, und er ist, wie kein anderer Fluss in Deutschland, mit Mythen und Erwartungen befrachtet. Während er zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und 1945 auf der politischen Ebene zu einem regelrechten nationalen Akteur stilisiert wurde, wurde gleichzeitig eine Kulturlandschaft modelliert, die eine von Künstlern evozierte romantische Stimmungslandschaft (Zitatanfang) zunehmend zur politisch aufgeladenen Erinnerungslandschaft (ZE) umgestaltete und monumentalisierte. Es entstand zudem eine Tourismusregion, die im In- wie Ausland als typisch deutsche Landschaft gilt und 2002 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt worden ist; aber der Flussabschnitt konnte seit dem 19. Jahrhundert auch einer kulturpessimistischen Haltung zur Moderne als Folie dienen, und zwar in der dichotomischen Wahrnehmung von intakter und versehrter Landschaft.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung