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Citizen Diplomacy. Sowjetisch-amerikanischer zivilgesellschaftlicher Aufbruch in den 1970-1980er Jahren
Antragstellerin
Professorin Dr. Birgit Menzel
Fachliche Zuordnung
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung
Förderung von 2013 bis 2014
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 243094162
In den 1970er und 1980er Jahren, einer der kritischsten Phasen des Kalten Krieges, begannen tausende von Bürgern Amerikas, jenseits der stagnierenden politischen Diplomatie unter der Bezeichnung Citizen Diplomacy Beziehungen mit Bürgern der Sowjetunion aufzunehmen, um das Gesicht des Feindes persönlich kennenzulernen. Nicht nur die Telebrücken (1982-1989), die durch Satellitentechnik ermöglichten ersten Live-Begegnungen zwischen sowjetischen und amerikanischen Menschen, boten eine neue direkte Kommunikationsform; zahlreiche Kooperationen privater wie institutioneller Art entstanden zwischen Menschen aller gesellschaftlichen Schichten der beiden Staaten. In diese dezentrale Bürgerdiplomatie, die 1985 bereits mehr als 230 Organisationen und Institutionen umfasste, waren Wissenschaftler und Geschäftsleute, Künstler und Journalisten, Privatleute und Diplomaten eingebunden. Die Projekte reichten von Buchmessen unabhängiger Verlage über Begegnungen von Schriftstellern, Ärzten, Sportlern und Parapsychologen, gemeinsamen Jugendtheater-Inszenierungen und Rock-Konzerten bis zur ersten Begegnung sowjetischer Kosmonauten mit amerikanischen Astronauten. Eine zentrale Rolle spielte dabei das kalifornische Esalen-Institut, ein privates, Zentrum der Human Potential-Bewegung mit dem Ziel, sozialen Wandel zu befördern. Im Rahmen des so genannten Track II-Programms initiierte Esalen 1980 ein Soviet-American-Exchange-Program. dem weitere Gründungen, wie die Soviet-American Physicians Group und die Association of Space Explorers folgten. Im Laufe des letzten Jahrzehnts wurde im Rahmen des Citizen Diplomacy Archive Project unter der Leitung von Anatol Shmelev ein Großteil der mehr als 100 privaten Archivbestände in die Hoover-Library der Stanford-Universität eingearbeitet und für die Forschung zugänglich gemacht. Mein Forschungsprojekt besteht darin, die bislang unbekannte Geschichte der sowjetisch-amerikanischen Citizen-Diplomacy-Beziehungen sowohl von der amerikanischen als auch von der russischen Seite aus aufzuarbeiten. Die Analyse beider Seiten aus deutscher Sicht eröffnet dabei eine dritte, nach beiden Seiten hin kritisch-offene Perspektive. Sie soll mit empirischem Material untermauert und durch aktuelle Interviews mit Zeitzeugen angereichert werden, was dem Projekt auch eine aktuelle Dimension verleiht. Damit sollen auch Fragen nach Kontinuität und Bruch in Bezug auf heutige Initiativen einer Citizen Diplomacy in die Untersuchung einbezogen werden. Vieles spricht dafür, dass es sich bei dieser Kooperation um eine frühe Form zivilgesellschaftlichen Engagements mit langfristigen Auswirkungen gehandelt hat, die teilweise bis in die Gegenwart fortdauern. Ob diese These sich bestätigt, wird sich allerdings erst nach einer Aufarbeitung dieser Geschichte klären. Das Projekt versteht sich als kulturwissenschaftlicher Beitrag zur Wahrnehmungsgeschichte des Kalten Krieges wie auch als Beitrag zu einer interkulturellen, grenzüberschreitenden Russistik.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen