Synthese und Feingussstrukturierung bioaktiver Gläser und deren Einfluss auf die Wechselwirkung zwischen Implantatoberfläche und angrenzenden Zellen
Beschichtungs- und Oberflächentechnik
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Verlaufe der Förderperiode ist es gelungen, zwei bioaktive Glaszusammensetzungen reproduzierbar über Direktgussverfahren mit einer mikrostrukturierten Oberfläche zu versehen. Für die anhand von Literaturrecherchen gewählte Struktur im unteren zweistelligen Mikrometerbereich konnte ein deutlicher Einfluss auf Wachstum und Orientierung von Zellen nachgewiesen werden. Zunächst waren Werkstoff-/Formstoffkombinationen und Parameter zu finden, die sowohl eine Abbildung der gewählten Oberflächenstrukturierung als auch ein zerstörungsfreies Entformen der Probe ermöglichten. Die drei großen Herausforderungen beim Abgießen der Gläser waren Kühlriffel, Kleben und Kristallisation, welche zum Teil gegensätzliche Anforderungen an die Prozessführung haben. Durch umfangreiche Versuchsreihen konnte, gestützt von sowohl experimentell als auch numerisch ermittelten phasentheoretischen Betrachtungen, das Wärmemanagement von Schmelze und Form im Gussprozess auf verschiedene Gläser angepasst werden. Wichtigste Parameter sind hierbei das Benetzungsverhalten, die Viskosität sowie deren Verlauf in Abhängigkeit sowohl der Schmelz- als auch der Formtemperatur. Die unter den ermittelten optimalen Bedingungen gegossenen Proben dienten als Substrat für die SBF (Simulated Body Fluid)- und zellbiologischen Untersuchungen. Im Kontakt mit wässrigem Medium bleibt die Oberflächenstruktur für einen relevanten Zeitraum unter statischen und dynamischen Testbedingungen erhalten. Es ist davon auszugehen, dass auch bei einer etwaigen Implantation in den Körper die Strukturierung über einen angemessenen Zeitraum erhalten bleibt und für die entscheidende initiale In-Vivo-Phase eine gezielte Beeinflussung auf die umgebenden Zellen ausüben kann. So könnten strukturierte Oberflächen dahingehend genutzt werden, Degradationskinetiken verschiedener Biogläser so einzustellen, dass sie an den nachwachsenden Knochen angepasst sind. Für die Auswertung und Interpretation der Zellkulturexperimente war es zunächst schwierig, zwischen dem Einfluss der chemischen Zusammensetzung eines Substrats und physikalischen Signalen durch eine Strukturierung der Oberfläche zu unterscheiden. Es konnte jedoch eine Ausrichtung nicht nur der Osteoblast ähnlichen Zellen sondern auch ihres Aktinskeletts entlang der Rillen festgestellt werden. Bezüglich der osteogenen Differenzierung zeigten Experimente mit mesenchymalen Stammzellen eine Tendenz zur stärkeren Differenzierung auf strukturierten Proben im Vergleich zu unstrukturierten. Ferner begünstigen die Oberflächenstrukturen den Abbau des Bioglases, was in Hinblick auf einen in vivo Einsatz wichtig ist. Denn eine erfolgreiche Heilung hängt neben dem Knochenauf- auch vom Implantatabbau ab. Der Schwerkraftguss reichte aus, die für die Experimente notwendigen kleinen Proben mit der gewünschten Oberflächenstruktur zu versehen. Denkt man jedoch an größere oder kompliziertere Geometrien, zeigen die Oberflächenuntersuchungen, dass infolge der schnell steigenden Viskosität, der statische Gießdruck alleine nicht mehr ausreicht. Durch die Adaption des horizontalen Schleudergusses auf das Schmelzen und Vergießen von Biogläsern konnte der Gießdruck deutlich gesteigert und die Mikrostrukturen auf weiteren Bereichen der Probenoberfläche exakt abgebildet werden. Dies ermöglicht, auch unter Berücksichtigung des ermittelten Fließweges der Schmelze, den Übergang zu dreidimensional ausgerichteten Probengeometrien. Die durchgeführten Simulationen zum Fließverhalten der Glasschmelze bildeten gut die lokalen Verhältnisse ab und halfen bei der Auslegung sowohl der Mikrostrukturen als auch der Temperaturführung in Bezug auf Gieß- und Formtemperatur. Zur Darstellung des gesamten Gießprozesses wären weitergehende Forschungsarbeiten nötig.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2016). A thermodynamic discourse on the dissolution behavior of bioactive glasses. Biomed Glasses 2:82-87
Pföss, B. and Conradt R.
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(2016). Structuring of bioactive glass surfaces at the micrometer scale by direct casting intended to influence cell response. Biomed Glasses 2:63–71
Pföss B, Höner M, Wirth M, Bührig-Polaczek A, Fischer H, Conradt R
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(2017). Mimicking physiological flow conditions to study alterations of bioactive glass surfaces in vitro. J Biomed Mater Res Part B 106B:228-236, 2018
Höner M, Böke F, Weber M, Fischer H
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(2018). Periodic microstructures on bioactive glass surfaces enhance osteogenic differentiation of human mesenchymal stromal cells and promote osteoclastogenesis in vitro. J Biomed Mater Res Part A
Höner M, Lauria I, Dabhi C, Kant S, Leube R, Fischer H