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Persönlichkeit aus sozial-motivationaler Perspektive
Antragsteller
Professor Dr. Jochen E. Gebauer
Fachliche Zuordnung
Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung
Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 245251840
Die Big Two (A[gency], C[ommunion]) und die Big Five (O[ffenheit], E[xtraversion], V[erträglichkeit], G[ewissenhaftigkeit], N[eurotizismus]) sind die gebräuchlichsten Persönlichkeitsfaktormodelle. Ihr wahrer Wert bemisst sich daran, wie verlässlich sie Denken, Fühlen und Verhalten vorhersagen. Persönlichkeitsfaktoren weisen jedoch häufig inkonsistente Effekte in unterschiedlichen sozialen Kontexten auf. Dies wird oft als Zeichen mangelnder Validität bewertet. Solche Inkonsistenzen stellen allerdings nur dann ein Validitätsproblem dar, wenn sie aus den Eigenschaften der Persönlichkeitsfaktoren nicht theoretisch ableitbar sind. Daher wird eine theoretische Perspektive entwickelt, um aufzuzeigen, warum Persönlichkeitseffekte zwischen sozialen Kontexten variieren können und sogar sollen: Die sozial-motivationale Perspektive (SMP). Die SMP nimmt an, dass Persönlichkeitsfaktoren mit den sozialen Hauptmotiven nach Konformität (mit dem sozialen Strom schwimmen) und Abweichung (gegen den sozialen Strom schwimmen) einhergehen. Nach der SMP gehen C, V und G mit sozialer Konformität einher, während A und O mit sozialer Abweichung einhergehen. Demnach sagen C, V und G Außenkriterien besonders stark vorher, wenn letztere typisch für den sozialen Kontext sind, während A und O Außenkriterien besonders stark vorhersagen, wenn diese sozial untypisch sind. Am Außenkriterium Religiosität lässt sich dies verdeutlichen. Religiöses Leben erlaubt es C, V und G auszudrücken. Daher wurde allgemein angenommen, dass ausschließlich C, V und G die Persönlichkeitsbasis von Religiosität bilden. Nach der SMP hingegen sollten C, V und G Religiosität lediglich in religiösen Kontexten besonders stark vorhersagen, da Religiosität dort nicht nur zum Ausdruck dieser Persönlichkeitsfaktoren dient, sondern auch das mit C, V und G einhergehende soziale Konformitätsmotiv befriedigt. Dementsprechend sollten C, V und G Religiosität in säkularen Kontexten nur schwach vorhersagen. In diesen Kontexten hingegen sollte A und O Religiosität vergleichsweise stark vorhersagen, da Religiosität dort das mit A und O einhergehende soziale Abweichungsmotiv befriedigt. Eigene Vorarbeiten unterstützen diese Annahmen der SMP für die Big Two in 11 Ländern (N = 187.957) und die Big Five in 66 Ländern (N = 1.129.334). Sechs Arbeitspakete (APs) sollen die SMP voll entwickeln. AP1 metaanalysiert Kulturunterschiede zwischen Persönlichkeitseffekten und erklärt diese im Rahmen der SMP. AP2 untersucht, welcher soziale Kontext den entscheidenden Rahmen für soziale Konformität und Abweichung bildet. AP3 ist eine Längsschnittstudie. AP4 beinhaltet experimentelle Studien. AP5 nutzt die SMP, um die Vorhersagekraft der “prosozialen Persönlichkeit” wiederzubeleben. AP6 beschreibt die SMP in einem Übersichtsartikel. In den sechs APs dient die SMP zur Erklärung divergenter Außenkriterien: fremddienliches Verhalten, Partnerpräferenzen, politische Einstellungen, Berufswunsch, Rauchen und Trinken, Kaufentscheidungen und Verhalten zur Prävention von Klimawandel, natürlicher Ressourcenknappheit und sozialer Ungleichheit. Ziel ist es, die SMP als eine prozess-orientierte, motiv-basierte und kontext-sensitive Theorie der Persönlichkeit zu etablieren, die zentrale Erkenntnisse der Sozial-, Motivations-, und Kulturpsychologie integriert, um Diskrepanzen bezüglich Persönlichkeitseffekten in unterschiedlichen sozialen Kontexten theoriegeleitet zu erklären.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen