Der Bialowieza-Nationalpark. Mensch, Tier und Umwelt in der polnisch-weißrussischen Grenzregion
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Der zum Welterbe der UNESCO und zum Natura 2000-Netzwerk der EU zählende Wald geriet im Sommer 2017 wegen des Holschlags auf polnischer Seite in die Schlagzeilen. Nachdem das Welterbe-Komitee der UNESCO Anfang Juli mit der Einberufung einer Kontrollkommission die Entscheidung über die Einstufung als bedrohtes Welterbe noch bis zur nächsten Jahrestagung verschoben hatte, verfügte der Europäische Gerichtshof Ende Juli den sofortigen Stopp der Abholzung des Waldes. Seit dem 18. Jahrhundert galt der im Zuge des Zweiten Weltkrieges zwischen Polen und Weißrussland geteilte und sich über ein Gebiet von 1500 Quadratkilometern erstreckende Wald als Refugium des Wisents. Im Ersten Weltkrieg wurde die Art nahezu ausgerottet, in der Zwischenkriegszeit wieder rückgezüchtet und nach dem Zweiten Weltkrieg erneut ausgewildert. Thomas Bohn, Aliaksandr Dalhouski und Markus Krzoska zeigen in ihrer Monographie als Ergebnis des vorliegenden DFG-Projekts, wie dem einstigen Jagdgebiet der polnischen Könige und russischen Zaren im Jahre 2009 eine über 600jährige Traditionslinie staatlichen Naturschutzes auferlegt wurde. In den von Menschen unangetasteten Kernbereichen rechtfertigt sich der Nimbus des letzten europäischen Flachlandurwaldes durchaus. Das Buch setzt sich mit konkurrierenden Konzepten zu dem 1932 in der Zweiten Polnischen Republik gegründeten und 1991 durch die Republik Belarus erweiterten Nationalpark auseinander. Im sowjetischen Teil hatte ein exklusiver Staatsforst der politischen Elite seit 1957 als Jagdgebiet gedient. Während des Ersten und des Zweiten Weltkrieges beflügelten sowohl die letzte Wisentherde als auch der jahrhundertealte Baumbestand noch die Wildnis- und Kolonialismus-Phantasien der deutschen Besatzer. Nach dem Untergang des Kommunismus haben internationale Biodiversitätsprogramme und Nachhaltigkeitskonzepte Einzug gehalten, die über die Schiene des Tourismus der Regionalentwicklung förderlich sein sollen. Der 2015 ausgebrochene Konflikt im polnischen Teil des Waldes gleicht den Verhältnissen im weißrussischen Teil des Waldes zehn Jahre zuvor. In periodischen Abständen argumentiert die Lobby der Forstwirtschaft, Sanitärhiebe seien ein Heilmittel gegen den Borkenkäfer. Tatsächlich ist der immer wieder auftretende Befall auf Meliorationen der späten Zarenzeit und der 1960er Jahre zurückzuführen. Das Absinken des Grundwasserspiegels und die Versandung der Böden führten in vielen Arealen zum Siegeszug der Fichten, die anfälliger als die monumentalen Eichen und Kiefern sind. Im Unterschied zur historischen Perspektive kommt aus heutiger Sicht nicht mehr dem Wisent, sondern dem Borkenkäfer der Status eines Königs des Urwalds zu. Wir haben es mit einer bizarren Situation zu tun, in der die vermeintlich „letzte Diktatur Europas“, die Republik Belarus, in Sachen Naturschutz als Musterschüler auftritt, während einer der ersten Repräsentanten der EU-Osterweiterung, die Republik Polen, Raubbau an der Natur betreibt. http://www.giessener-anzeiger.de/lokales/hochschule/osteuropahistoriker-der-jlu-giessen-legen-spannende-geschichte-ueber-wisent-wildnis-und-welterbe-vor_18260682.htm https://www.youtube.com/watch?v=-atnM4eY0lY
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Belaveža: illjuzija vyratavannja. In: Rodnaja pryroda 4 (2015), S. 14-16
Dalhouski, Aljaksandr
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Naturschutz in Polen seit der Frühen Neuzeit. Das Beispiel des Białowieża-Urwalds, in: Jahrbuch Polen 2015: Umwelt, Wiesbaden 2015, S. 117-127
Krzoska, Markus
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Wisent-Wildnis und Welterbe. Geschichte des polnisch-weißrussischen Nationalparks von Białowieża. Köln/Weimar/Wien: Böhlau, 2017. 401 S., 105 Abb. ISBN 978-3-412-50943-9
Bohn, Thomas/Dalhouski/Aliaksandr/Krzoska, Markus