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Erziehungswissenschaft im Bologna-Prozess. Strategien und leitende Orientierungen bei der Reform der Hauptfachstudiengänge.

Fachliche Zuordnung Bildungssysteme und Bildungsinstitutionen
Förderung Förderung von 2013 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 246493422
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt konnte in zwei größeren Teilstudien zeigen, wie sich die Studiengangslandschaft erziehungswissenschaftlicher Hauptfachstudiengänge in Deutschland aktuell darstellt und verändert hat und welche Prozesse auf der Akteursebene zur Etablierung neuer Studiengänge im Zuge der Bolognareform geführt haben. Dabei erwies sich die Studiengangslandschaft in der Erziehungswissenschaft in fächervergleichender Perspektive zur Soziologie strukturell und inhaltlich als deutlich pluraler. Auf der Basis einer quantitativen Inhaltsanalyse der Modulhandbücher, Studien- und Prüfungsordnungen wurde deutlich, dass in erziehungswissenschaftlichen Studiengängen von unterschiedlichen Profilbildungen im Hinblick auf die Anteile an allgemeinen Grundlagen Forschungsmethoden und Praktika sowie Inhalten, die sich auf unterschiedliche Handlungsfelder beziehen, auszugehen ist. Demgegenüber differieren diese Anteile in soziologischen Studiengängen zwar auch, sind jedoch immer ähnlich relationiert. Ebenso erwies sich die Erziehungswissenschaft bereits auf der Ebene der Fachbezeichnungen als deutlich ausdifferenzierter, finden sich doch bei insgesamt 186 Studiengängen 90 verschiedene Fachbezeichnungen, die sowohl auf generalisierte, teildisziplinbezogene oder themenbezogene Ausrichtungen verweisen. Gleichwohl überraschte, dass sich diese begriffliche Differenzierung nicht zwangsläufig in den inhaltlichen Ausrichtungen der Studiengänge niederschlägt. Insbesondere mit dem relativ neuen Begriff ‚Bildungswissenschaft‘ sind bspw. ganz unterschiedliche disziplinäre Orientierungen der Akteure verbunden, wie es dann auch die Auswertungen des qualitativen Materials der Gruppendiskussionen zeigen. Auf der Basis der Dokumentarischen Methode konnten im qualitativen Teil der Studie zwei sinngenetische Typenbildungen rekonstruiert werden, die einerseits deutlich machen, wie unterschiedlich die Akteure erziehungswissenschaftlicher Studiengänge mit der Anforderung, Studiengänge und Curricula kollektiv gestalten zu müssen mit dem Handlungsproblem heterogener disziplinärer Orientierungen umgehen und die andererseits darauf verweisen, dass dies mit einem zweiten Handlungsproblem einhergeht, nämlich dabei auch einen Umgang mit den Regelerwartungen der jeweiligen Hochschule finden zu müssen. Dass beide Typenbildungen nicht in einem verbindenden Muster aufgehen, macht deutlich, dass die FachvertreterInnen in der Erziehungswissenschaft im Spagat zwischen Disziplin und Organisation kaum auf übergeordnete Orientierungsfolien oder geteilte disziplinäre Standards zurückgreifen (können), sondern diese je standortindividuell aushandeln (müssen). Fächervergleiche auch in qualitativer Perspektive könnten hier zeigen, inwiefern damit eine spezifische Eigenlogik fragmentierter Disziplinen erfasst wurde und damit auch ein Beitrag zur Erweiterung disziplin- und wissenschaftstheoretischer Perspektiven geleistet werden kann. Übergreifend wurde in den Rekonstruktionen deutlich, dass zum einen Studiengänge noch stärker als Orte symbolischer Grenzziehungen betrachtet werden müssen, die disziplinäre Zuordnungen markieren und Identität herstellen. Sie müssen deshalb in theoretischen Entwürfen zu Disziplinentwicklungsprozessen stärker Berücksichtigung finden. Gleichzeitig erweist sich die Hochschule als durchaus mächtiger Akteur in der Studiengangsgestaltung und dies nicht nur über strukturelle Vorgaben, sondern deutlich auch über inhaltliche Eingriffe, die mit den disziplinären und fachlichen Orientierungen der Akteure konfligieren (können). Auch in dieser Hinsicht könnten Fächervergleiche Aufschluss über mögliche graduelle Unterschiede zwischen den Disziplinen und deren Bedingungen geben. Deutlich wurde insgesamt, dass sich im Zuge der Bolognareform in unterschiedlicher Weise (Ver-)Handlungsräume eröffnen, um disziplinäre Zuschreibungen und Verortungen von Studiengängen neu zu justieren. Abhängig sind diese Prozesse gerade im Fall der Erziehungswissenschaft von den jeweiligen Akteurspositionen und -konstellationen am Standort, die auf differente Machtverhältnisse verweisen sowie den darin verankerten Bezugnahmen auf organisationale Regelerwartungen. Dass hierfür von den erziehungswissenschaftlichen FachvertreterInnen ganz unterschiedliche Wege gefunden werden, liegt nicht zuletzt an ihrem Charakter einer pluralen und ausdifferenzierten Disziplin.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015) Zanikanie granic pedagogicznej pracy zawodowej oraz rozwój modeli uniwersyteckiego kształcenia pedagogicznego w Niemczech. In: Urbaniak-Zając, D./Piekarski, J. (Hrsg.): Akademickie kształcenie pedagogów w procesie zmiany. Perspektywy teoretyczne i doświadczenia absolwentów. Krakow: impuls, S. 27-54. ISBN 978-83-8095-251-5
    Grunert, C./Krüger, H.-H.
  • (2016) Disziplinen im Wandel? Erziehungswissenschaft und Soziologie im Bologna-Prozess. In: Zeitschrift für Pädagogik, Jg. 62, H. 6, S. 886-908
    Grunert, C./Ludwig, K.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.3262/ZP1606886)
  • (2016) Educational Science in Germany: Changes in the Mode of Studying and in the Status of the Discipline as a Result of the Bologna Reform. In: Nauki o Wychowaniu. Studia Interdyscyplinarne 2, H. 3, S. 180-198
    Grunert, C./Ludwig, K.
  • (2016) Labels matter!? Erziehungswissenschaftliche Studiengänge in der Bologna-Reform. In: Bildung und Erziehung, Jg. 69, H. 4, S. 449-466
    Grunert, C./Ludwig, K.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.7788/bue-2016-0406)
  • Studiengänge und Standorte. In: Koller, H.-C./Faulstich-Wieland, H./Weishaupt, H./Züchner, I. (Hrsg.): Datenreport Erziehungswissenschaft 2016. Opladen u.a., S. 19-70
    Grunert, C./Ludwig, K./Radhoff, M./Ruberg, C.
    (Siehe online unter https://dx.doi.org/10.3224/84740777A)
  • Herausforderungen rekonstruktiver Forschung an Hochschulen am Beispiel der Studiengangsentwicklung in der Erziehungswissenschaft. Zeitschrift für Qualitative Forschung, Jg. 18.2017, Heft 2, S.297-314.
    Ludwig, K./Grunert, C./Hoffmann, N.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3224/zqf.v18i2.08)
  • (2018) „Über die Früchte […]“ der Bologna-Reform. Rekonstruktionen zur Gestaltung erziehungswissenschaftlicher Hauptfachstudiengänge zwischen Disziplin und Hochschule. In: Bers, C. et al.: Wendungen und Windungen in der Erziehungswissenschaft. Empirische
    Ludwig, K./Grunert, C.
  • (2018) „Über die Früchte […]“ der Bologna-Reform. Rekonstruktionen zur Gestaltung erziehungswissenschaftlicher Hauptfachstudiengänge zwischen Disziplin und Hochschule. In: Bers, C. et al.: Wendungen und Windungen in der Erziehungswissenschaft. Empirische Studien. Beiträge zur Theorie und Geschichte der Erziehungswissenschaf, Bd.45.2018, S.83- 106. Bad Heilbrunn: Klinkhardt
    Ludwig, K./Grunert, C.
  • (2019). „Was sind eigentlich die Ansprüche der Fachcommunity?“ Anforderungen an die Fachgesellschaft DGfE in der Gestaltung erziehungswissenschaftlicher Studiengänge. Erziehungswissenschaft, Vol. 58. 2019, Issue 1, pp. 73-80.
    Grunert, Cathleen & Ludwig, Katja
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3224/ezw.v30i1.09)
  • (2020) Was passiert mit der Erziehungswissenschaft? Zum Wandel des Hauptfachstudiums im Bologna-Prozess. In: Austermann, S. et al. (Hrsg.): Strukturen der Erziehungswissenschaft – Erziehungswissenschaftliche Strukturen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt, 135-138
    Grunert, C.
  • (2020) Was passiert mit der Erziehungswissenschaft? Zum Wandel des Hauptfachstudiums im Bologna-Prozess. In: Austermann, S./Kleppin, G./Kauder, P./Vogel, K. (Hrsg.): Strukturen der Erziehungswissenschaft – Erziehungswissenschaftliche Strukturen. Bad Heilbrunn: Klinkhardt. S. 135-138, ISBN 9783781558335.
    Grunert, C.
  • (2021). Academic Reform in Fractured Disciplines – On the Interaction of Bologna, New Public Management and the Dynamics of Disciplinary Development. Minerva. A Review of Science, Learning and Policy, 2021.
    Grunert, Cathleen, Ludwig, Katja
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s11024-021-09452-7)
 
 

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