Kommunikative Vermittlungsstrategien des Imaginären
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Im Rahmen des Projektes wurden Kommunikationssituationen untersucht, innerhalb derer sich die beteiligten Akteure eine gemeinsam geteilte Vorstellungswelt erarbeiten. Interpretiert wurden dafür sowohl kommunikative Handlungen lautsprachlicher, gestischer und mimischer Natur als auch objektivierte Formen, wie Bilder, Karten, Texte und Gegenstände. Dadurch wurden Aufschlüsse darüber gewonnen, wie die Vermittlung und Konstruktion einer imaginären Welt von Akteuren kommunikativ geleistet wird. Die primäre Datenbasis des Projektes bilden Videodaten, die im Rahmen von Pen-and-Paper-Fantasy-Rollenspielsitzungen (dabei sitzen sich die Spieler vis-à-vis gegenüber) gewonnen wurden. Diese wurden in einem zweiten Schritt mit Video- und Screen-Capturing-Daten aus dem Bereich des Fantasy-Online-Rollenspiels verglichen, die einerseits die spielenden Personen und andererseits das Geschehen auf dem Bildschirm dokumentieren. Vier Hauptbestandteile der kommunikativen Vermittlung des Imaginären konnten herausgearbeitet und in ihrer Beschaffenheit beschrieben werden. 1. Die mit dem Imaginären befasste Kommunikation ist gekennzeichnet durch Aushandlungsprozesse und Konflikte, die sich sowohl auf den Ist-Zustand der Narration als auch auf das gemeinsame Gedächtnis der Gruppe beziehen und die mit Hilfe materialer Hilfsmittel („Papiergedächtnis“), durch Gegenrede, Paraphrasierungen und Fragen bewältigt werden. 2. Zur Herstellung einer gemeinsamen Situation tätigen die mit dem Imaginären befassten Akteure Rahmungshandlungen, die sich auf die alltägliche Lebenswelt (Zurichtung des Raumes), die Spielregelebene (Nivellierung des Wissensstandes der Mitspieler) und die imaginäre Welt (zeitliche, räumliche, soziale und narrative Verortung der Spielfiguren) beziehen und deuten mit Hilfe von Startsignalen den Einstieg in die Welt des Spiels an. 3. Gegenläufig zu den Rahmungshandlungen, die die imaginäre Welt als solche markieren, trachten die Akteure aber auch danach, ihr ein möglichst hohes Maß an nahezu gegenständlich erlebbarer, künstlicher (jedoch immer unvollständiger) Präsenz zu verleihen. Hierzu verwenden sie visuelle (Gesten, Bilder), akustische (‚direkte Rede', Klangmalerei), emotionale (Erzeugen von Handlungsdruck) und kognitive Strategien, die auf eine starke Involviertheit in die imaginäre Welt hinwirken. 4. Zur Vermittlung des Imaginären gehört auch ein Sprechen im Konjunktiv. Dabei werden einerseits im ‚Potentialis„ Handlungsoptionen für die Zukunft gegeneinander abgewogen, Leerstellen überbrückt, Kontingenzen suspendiert und im Hinblick auf die Vergangenheit gewählte Handlungsoptionen durch den Abgleich mit nicht gewählten evaluiert. Mit Hilfe des Optativ wird die aktuell bewohnte Lebenswelt (Spiel oder Alltag) für einen komischen Ausflug in eine nur kurzfristig errichtete zusätzliche Wirklichkeit für wenige Momente verlassen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2007): Visuelle Kommunikationsstrategien im Zusammenspiel. Gestik im Fantasyrollenspiel. In: sozialer sinn. Zeitschrift für hermeneutische Sozialforschung 8 (2), S. 237-265
Herbrik, Regine / Röhl, Tobias
- (2008): Mapping the Imaginary – Maps in Fantasy Role- Playing Games. In: FQS – Forum qualitative Sozialforschung Vol. 9, No. 3, Art. 24
Röhl, Tobias / Herbrik, Regine