Detailseite
Projekt Druckansicht

Materials World Network: Nanoscale Structure and Shaping of Ferroelectric Domains

Fachliche Zuordnung Herstellung und Eigenschaften von Funktionsmaterialien
Förderung Förderung von 2006 bis 2011
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 24840618
 
Erstellungsjahr 2011

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Bonner Ergebnisse lassen sich grob in drei Kategorien einteilen: Erwerb neuer und wesentlicher physikalisch-materialwissenschaftlicher Erkenntnisse, Aufbau technologischer Fertigkeiten zur Mikrostrukturierung von Lithiumniobat-Kristallen und Realisierung ausgewählter Applikationen. Lithiumniobat (LN) ist ein Ferroelektrikum. Die Richtung der Spontanpolarisierung lässt sich also mittels von außen angelegter elektrischer Felder schalten, sofern die sogenannte „Koerzitivfeldstärke“ überschritten wird. Zu Beginn des Projekts war bekannt, dass diese Feldstärke von Kristalldefekten abhängt. In Kooperation mit den Kollegen aus den USA konnten wir hier ganz wesentliche Aufklärungsarbeit leisten: In den Kristallen ist bedingt durch thermodynamische Prozesse nach der Herstellung eine große Anzahl an Li+- Leerstellen vorhanden, auf die sich Nb5+-Ionen setzen. Die Ladungskompensation erfolgt – das ist ein Ergebnis des Projekts – über mindestens drei assoziierte unbesetzte Li+- Fehlstellen; die Idee hierzu stammt vom Kollegen Gopalan. Wird jetzt versucht, die Spontanpolarisierung durch äußere Felder zu ändern, so bewirken die Defekte ein „Pinning“ der Domänen, welches durch Erwärmung und Beleuchtung beeinflusst werden kann: Bei Temperaturen unter 200 °C und Beleuchtung mit ultraviolettem Licht dominieren elektronische Kompensationsprozesse, die die Defekte ladungsmäßig abschirmen. Bei Temperaturen über 200 °C kann dagegen Li+ merkenswert diffundieren, und die Defekte können sich auch „umpolen“. Und noch ein weiterer relevanter Prozess konnte im Rahmen des Projekts aufgeklärt werden: Beleuchtung der Kristalle mit intensivem fokussiertem ultraviolettem Licht führt dazu, dass ein „latentes Bild“ entsteht, welches durch das Anlegen äußerer Felder in ein entsprechendes Domänenmuster umkopiert werden kann: Die zuvor beleuchteten Bereiche sind resistent, widerstehen also der Domäneninversion. Wir konnten dieses „poling inhibition“ eindeutig auf die Erzeugung scharfer Temperaturprofile, die durch die ultraviolette Beleuchtung hervorgerufen werden, und nachfolgende Lithium-Diffusion zurückführen; der beleuchtete Bereich wird Lithium-ärmer, was die Koerzitivfeldstärke deutlich erhöht. Bezüglich der Mikrostrukturierung: Hier ist zum einen zu nennen, dass mit dem oben beschriebenen Verfahren mittels fokussierten ultravioletten Lichts wie mit einem Stift beliebige Domänenmuster geschrieben werden können, und zwar – was zunächst sehr überraschend war – auf allen Kristallflächen. Hier spielen auch thermoelektrische Felder eine Rolle. Neben der Mikrostrukturierung der Domänen ist auch eine Mikrostrukturierung des Kristalls selber gelungen. Im Rahmen der Projektlaufzeit konnten wir auch die Anwendbarkeit der Ergebnisse nachweisen. So wurden in einem scheibenförmigen Kristall mit Hilfe des ultravioletten Lichts sonnenstrahlförmige Domänenmuster erzeugt, die dann zur Quasi-Phasen-Anpassung eines miniaturisierten optisch-parametrischen Oszillators geführt haben. Das System ist weit durchstimmbar und hat bzgl. Miniaturisierung und Durchstimmbereich einen Rekord erreicht, was zu einer sehr beachteten Publikation geführt hat. Ziele der Paderborner Arbeiten waren Herstellung, Charakterisierung und Anwendung periodisch gepolter Wellenleiter in LN mit Periodizitäten (Λ) bis in den sub-Mikrometerbereich. Herstellung: Es wurden spezielle Prozesse für chemisches und plasmagestütztes Ätzen von LN, sowie „lokale“ – also auf den Wellenleiter beschränkte – Dotierungs- und Polungstechniken entwickelt. Damit konnten verlustarme, „lokal gepolte“ optische Rippenwellenleiter für quasi-phasenangepasste nichtlineare Wechselwirkungen hergestellt werden. Eine weitergehende Miniaturisierung wurde durch die Entwicklung einer „full-wafer“-Technologie für „Lithium-Niobate-On-Insulator“ (LNOI) möglich, die international große Beachtung gefunden hat. Es gelang, eindomänige und periodisch gepolte „photonische Drähte“ mit sub-Mikrometer-Querschnittsdimensionen herzustellen. Charakterisierung: Es wurde ein Schrägschliffverfahren entwickelt, welches – in Kombination mit selektivem chemischem Ätzen – eine dreidimensionale mikroskopische Untersuchung der Struktur von Mikrodomänen in Rippenwellenleitern ermöglicht. Darüber hinaus wurden mit Hilfe optisch nichtlinearer Mikroskope bei Projekt- (Prof. Dierolf, Lehigh University) und Kooperationspartnern (Prof. Zrenner, Uni Paderborn) zerstörungsfreie Methoden (Ramanund Frequenzverdopplungs-Mikroskopie) entwickelt, die eindrucksvolle, weitgehend komplementäre Ergebnisse ermöglicht haben. Ergänzt wurden diese Untersuchungen durch Oberflächenanalysen mit Hilfe der piezoelektrischen Kraftmikroskopie in Bonn. Anwendung: Periodisch gepolte Rippenwellenleiter (Periodizität bis zu Λ ≈ 3 µm) wurden für Frequenzverdopplung (SHG), Differenzfrequenzerzeugung (DFG) und kaskadierte SHG/DFG eingesetzt. Besonders bemerkenswert ist die erfolgreiche Demonstration quasiphasenangepasster SHG in „photonischen Drähten“, hergestellt aus LNOI. Ausblick: Das Arbeitsgebiet ist so vielversprechend und die erzielten Ergebnisse sind so ermutigend, dass das Projekt zu umfangreichen Folgeaktivitäten geführt hat. Zum einen ist es wissenschaftlich und technisch interessant, die auf der Mikrometerskala durchgeführten Prozesse auf Kristalle reduzierter Dimensionalität zu übertragen. Die Berichterstatter haben hier zusammen mit Herr Prof. Dr. Detlef Kip von der Helmut Schmidt-Universität Hamburg und Herrn Prof. Dr. Volkmar Dierolf von der Lehigh University den Antrag „Ferroelektrische Materialien reduzierter Dimensionalität für die Photonik“ im Rahmen des NSF-DFG-Programms „Materials World Network“ gestellt, der auch bewilligt wurde – seit knapp einem Jahr arbeiten wir gemeinsam an diesem Projekt. Zum anderen werden weitere Anwendungen erschlossen, die auf der erlangten Fähigkeit beruhen, ferroelektrische Domänen mit bisher unerreichter Flexibilität erzeugen zu können. Herr Dr. Ingo Breunig arbeitet hier als Nachwuchswissenschaftler an der Universität Freiburg intensiv daran, Domänenmuster für nichtlinear-optische Geräte einzusetzen, die besonders integriert sind (Flüstergaleriemoden-Resonatoren) oder die in ganz neue Wellenlängenbereiche vorstoßen (Terahertz-Technologie). Für integriert-optische Strukturen scheint mit periodisch gepolten Rippenwellenleitern in X- und Y-Schnitt-LN ein Weg gefunden worden zu sein, nichtlineare Bauelemente für relativ hohe Dauerstrichleistungen entwickeln zu können. Dieser Ansatz soll verifiziert und mit der Herstellung ausgewählter integriert-optischer Frequenzkonverter umgesetzt werden. Mit der Entwicklung einer „full-wafer“-Technologie für LNOI und den ersten periodisch gepolten „photonischen Drähten“ in diesem Material eröffnet sich ein weites Feld für künftige Arbeiten und mögliche Anwendungen. So sollen im NSF-DFG-Projekt die Materialentwicklung vorangebracht und periodisch gepolte Wellenleiterstrukturen für quasiphasenangepasste nichtlineare Wechselwirkungen entwickelt werden. Darüber hinaus bietet LNOI – in Analogie zu SOI („Silicon-On-Insulator“) – die Möglichkeit, als neue Plattform einer weiter miniaturisierten Integrierten Optik eingesetzt zu werden. Hierfür wäre jedoch eine größere Forschungsaktivität im nationalen oder europäischen Rahmen erforderlich. Im Rahmen der künftigen LNOI-Arbeiten soll auch versucht werden, Domänengitter mit sub-Mikrometer-Periodizitäten zu schreiben, was bisher noch an Materialproblemen gescheitert ist. Damit würde die Entwicklung von integrierten, nichtlinear-optischen Bauelementen möglich, die eine Welle parametrisch in Rückwärtsrichtung erzeugen. Dies ergibt ganz neue Abstimmcharakteristiken für alle nichtlinearen Prozesse zweiter Ordnung und ist wegen der größeren spektralen Selektivität für viele Bauelemente (z. B. für Photonenpaarquellen, optische parametrische Oszillatoren, Systeme zur DFG, …) von großem Interesse.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • „Lithium niobate photonic wires“. Optics Express 17, 24261 (2009)
    H. Hu, R. Ricken, and W. Sohler
  • „Local periodic poling of ridges and ridge waveguides on x- and y-cut LiNbO3 and its application for second harmonic generation“. Optics Express 17, 3923-3928 (2009)
    L. Gui, H. Hu, M. Garcia-Granda, W. Sohler
  • „Influence of heat and UV light on the coercive field of lithium niobate crystals“. Appl. Phys. B 101, 535-539 (2010)
    H. Steigerwald, F. von Cube, F. Luedtke, V. Dierolf, and K. Buse
  • „Low-loss ridge waveguides on lithium niobate fabricated by local diffusion doping with titanium“. Appl. Phys. B 98, 677-679 (2010)
    H. Hu, R. Ricken, W. Sohler
  • „Origin of UV-induced poling inhibition in lithium niobate crystals“. Phys. Rev. B 82, 214105/1-6 (2010)
    H. Steigerwald, M. Lilienblum, F. von Cube, C. Ying, R. W. Eason, S. Mailis, B. Sturman, E. Soergel and K. Buse
  • „Direct writing of ferroelectric domains on the x- and y-faces of lithium niobate using a continuous wave ultraviolet laser“. Appl. Phys. Lett. 98, 062902/1-3 (2011)
    H. Steigerwald, Y. J. Ying, R. E. Eason, K. Buse, S. Mailis, E. Soergel
  • „Highly tunable low-threshold optical parametric oscillation in radially poled whispering gallery resonators“. Phys. Rev. Lett. 106, 143903/1-4 (2011)
    T. Beckmann, H. Linnenbank, H. Steigerwald, B. Sturman, D. Haertle, K. Buse, I. Breunig
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung