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Ordnungsvorstellungen religiöser Eliten in Südosteuropa

Antragsteller Dr. Jochen Töpfer
Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249166551
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die vorliegende Studie zu Ordnungsvorstellungen religiöser Eliten in Südosteuropa hatte zwei konkreten Fragestellungen: 1) Wie gestalten sich Vorstellungen religiöser Würdenträger zu gesellschaftlicher Ordnung und der Rolle der Religion in modernen, multireligiösen Gesellschaften? Welche Einstellungstypen sind feststellbar? 2) Sind jene Vorstellungen Träger von Potentialen zu gesellschaftlicher Integration oder sind sie auf dieser Ebene als potentiell konfliktträchtig zu charakterisieren? Es wird ersichtlich, dass der erste Teil der Untersuchung einen explorativen Charakter besaß, d.h. dafür offen sein sollte, auch bisher wenig beachtete Einstellungsmuster zu generieren, während der zweite Abschnitt theoriegeleitet-analytisch angelegt war. Im religionssoziologischen Dreieck Religion – Politik – Bevölkerung begab sich der Ansatz folglich zunächst in die Perspektive der Religion, die durch die Einstellungen religiöser Würdenträger abgebildet wird. Das Forschungsprojekt stellte dabei drei multireligiöse Gesellschaften in Europa in den Fokus, innerhalb derer jeweils eine andere Religionskonfession als dominant angesehen werden kann: Albanien, Mazedonien und Slowenien. Hier wurde die Q-Methode gewählt, die aufgrund der benötigten, im Vergleich geringen Anzahl der Interviewpartner als auch in der Erbringung strukturierter Ergebnisse Vorteile besitzt. Zwischen 2015 und 2019 wurden insgesamt 95 Interviews mit religiösen Würdenträgern in Albanien, Mazedonien und Slowenien durchgeführt, die eine intensive Vorbereitung benötigten. Die hohe Zahl der Befragten, als auch die Teilnahme einer Vielzahl von Vertretern in einer exponierten Stellung, kann als positive Überraschung gelten. Davon gingen 90 Interviews, 30 pro Gesellschaft, in die Analyse ein. In der Zusammenfassung der Resultate wird deutlich, dass die Meinungstypen unter der religiösen Elite in den drei Zielgesellschaften keine Gruppierung nach Land oder Religionsgemeinschaft erfahren. Somit ist nach dieser Studie der Faktor Religion nicht bestimmend für die Bildung von grundlegenden Einstellungstypen hinsichtlich der Gesellschaftsordnung und der Rolle der Religion darin. Das dritte Resultat ist in Anbetracht der bisherigen Forschung ebenso als Überraschung zu werten: Die überwiegende Zahl der Meinungstypen steht klar für Integrationspotentiale in einer modernen Gesellschaft; konfliktträchtige Gruppen wurden als sehr kleine Fraktionen identifiziert, die eher innerhalb dominanter Religionsgemeinschaften agieren. Diese potentiell konfliktträchtigen Gruppen sind sich klar über abgelehnte gesellschaftliche Strukturen und Prozesse, jedoch weniger über mögliche inklusive Mechanismen. Das dritte Gesamtresultat steht in großem Gegensatz zu bisher favorisierten Ansätzen in den Sozialwissenschaften, die von einer hemmenden Rolle der Religion in der Modernisierung (auch der Demokratisierung) ausgehen. Die Ergebnisse zeigen, dass diese Annahmen nicht für den religiösen Sektor insgesamt gelten können. Dieses auf Integration und Verständigung hindeutende Resultat der Studie könnte einen konstruktiven Beitrag in der Debatte im Religion und Integration in Politik, Gesellschaft, und Wissenschaft erbringen. Die möglichen Anwendungsperspektiven der Resultate des Projektes liegen in den beiden Feldern der wissenschaftlichen Weiterentwicklung sowie der Politikberatung. Für das wissenschaftliche Feld sind dabei drei Richtungen relevant: Dem vorbereitendem Charakter der vorliegenden Studie zu weiteren inhaltlichen Ausarbeitungen der Befragungen unter religiösen Führern, sowie zweitens zur quantitativ orientierten Meinungsforschung unter relevanten Gruppen der Gesellschaft (Gläubige, Atheisten, Gesamtbevölkerung). Eine dritte Perspektive wäre die Erschließung der Verbindung von Einstellungsmustern und persönlichen Netzwerken (Netzwerkforschung) innerhalb der religiösen Eliten, welche die Reichweite von Einfluss und Einstellungen sowie deren gesellschaftliche Einbettung von der Ebene der Vermutungen zu jener der Erklärungsmustern verschieben könnte.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): The Role of Religion in Eastern Europe Today. Wiesbaden: Springer VS
    Jochen Töpfer / Gerlach, Julia (eds.)
  • (2019): Jerusalem – Berlin – Sarajevo. Eine religionssoziologische Einordnung Amin Al-Husseinis. Wiesbaden: Springer VS
    Jochen Töpfer / Bergmann, Max Friedrich
  • Muslims, Law, and Religious Freedom in Albania. Journal of Balkan and Black Sea Studies, 2019 (2), S. 83-121
    Jochen Töpfer
  • Patterns of Society and Politics – The Perspective of Religion in Albania and North Macedonia. In: New Balkan Politics, 18/2019, Institute for Juridical, Political and Social Studies (IPSSI), University of Skopje, S.1-19
    Jochen Töpfer
  • The Future Relationship between Religion and Politics (in Multi-Religious Societies of Europe): The Perspective of Religion in Slovenia. Yearbook of the Slovene Sociological Association (SSD) 2019, Ljubljana: Slovene Sociological Association, S. 159-163
    Jochen Töpfer
  • (2020): Die Verfassung der Republik Mazedonien seit 1989. In: Benz, Arthur et al. (Hg.): Handbuch zur europäischen Verfassungsgeschichte des 20. Jahrhunderts. Institutionen und Rechtspraxis im gesellschaftlichen Wandel, Reihe B, Band 5: seit 1989. Bonn: Verlag J.H.W. Dietz, S.1225-1258
    Jochen Töpfer
 
 

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