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Die Neurobiologie der Emotionsregulation bei Anorexia nervosa (NEA)

Fachliche Zuordnung Persönlichkeitspsychologie, Klinische und Medizinische Psychologie, Methoden
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249366886
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Psychobiologischen Modellen zufolge führt die exzessive Nahrungsrestriktion bei Anorexia Nervosa (AN) zu einer Dämpfung des Erlebens negativer Emotionen. Dies könnte einen zentralen, die Störung aufrechterhaltenden Faktor darstellen. Bisherige Studien haben gezeigt, dass Patientinnen mit AN Schwierigkeiten in der Wahrnehmung und Regulation von Emotionen aufweisen. In eigenen Studien konnten wir zudem zeigen, dass ein niedrigeres Körpergewicht bei AN mit geringeren Schwierigkeiten in der Emotionsregulation sowie einem verringerten Abruf negativer Emotionen in autobiographischen Erinnerungen einhergeht. Dies könnte zurückzuführen sein auf eine durch die Nahrungsrestriktion hervorgerufene Minderung der Verfügbarkeit von Tryptophan (TRP) und somit reduzierte Serotoninausschüttung im Gehirn. Dafür spricht, dass bei gesunden Frauen eine experimentelle Unterdrückung von TRP zu einer verminderten Schreckreaktion auf und reduzierten Wahrnehmung von aversiven Reizen führt. In umgekehrter Weise, führt eine kurzzeitige Erhöhung der TRP-Konzentration zu einem signifikanten Anstieg negativer Stimmung und einer schnelleren Wahrnehmung von Angstreizen. Dementsprechend lag dieser Studie die zentrale Annahme zugrunde, dass Nahrungsrestriktion bei AN der Vermeidung aversiver Emotionen dient, vermittelt durch verringerte TRP-Verfügbarkeit und veränderte Hirnaktivität. Wir nahmen an, dass dies einen Pathomechanismus darstellt, welcher überdauernde Defizite in der Emotionsregulation bei AN zu kompensieren vermag und dadurch zur Aufrechterhaltung der Störung beiträgt. In dieser Studie wurden Patientinnen mit AN (n=30) und gesunde Frauen (n=30) miteinander verglichen. Zudem wurden die Patientinnen zu zwei Zeitpunkten untersucht, einmal erhielten sie eine hohe Dosis TRP, beim anderen Mal erhielten sie ein Placebo. Zu beiden Terminen wurde eine funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) durchgeführt, während die Teilnehmerinnen zwei Aufgaben bearbeiteten, bei denen es um die Erkennung und Verarbeitung von Emotionen anderer Personen ging. Unsere primäre Annahme, dass TRP zu einer Steigerung der limbischen Aktivität in Reaktion auf Angstreize bei Patientinnen mit AN führt, konnte nicht bestätigt werden. Wir fanden jedoch, dass Patientinnen mit AN im Vergleich zu Gesunden eine verminderte Aktivierung im Emotionsregulations-Netzwerk während der Ablenkung von Angstreizen aufweisen, was teilweise die vielfach beobachteten Schwierigkeiten in der Emotionsregulation bei AN erklären könnte. Zudem fanden wir, dass TRP zu einer Steigerung der Aktivität im Thalamus während des Erkennens emotionaler Zustände einer anderen Person und zu einer verminderten Konnektivität im sogenannten Default Mode Netzwerk im Ruhezustand führte. Diese Befunde könnten dafür sprechen, dass der TRP-Mangel eine Abschirmung gegenüber äußeren Reizen begünstigt und somit einen effektiven Kompensationsmechanismus darstellt im Umgang mit negativen äußeren Reizen. Die beobachteten neuronalen Veränderungen in Emotionsnetzwerken bei AN geben wichtige neue Einblicke, die zu einem verbesserten Krankheitsverständnis beitragen als auch richtungsweisend sind für die Entwicklung neuer Interventionen, die gezielt die Verbesserung sozio-emotionaler Kompetenzen adressieren und damit möglichst zu einem besseren Ansprechen auf die Behandlung führen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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