Detailseite
Projekt Druckansicht

Themenkarrieren in der Planungswissenschaft. Eine diskurs- und netzwerkanalytische Untersuchung der Beispiele "Klimawandel" und "Schrumpfende Städte"

Fachliche Zuordnung Städtebau/Stadtentwicklung, Raumplanung, Verkehrs- und Infrastrukturplanung, Landschaftsplanung
Förderung Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249373398
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt TIPKUS ging der Frage nach, wie sich Aufmerksamkeit für ein Thema in der Planung konstituiert und entwickelt. Denn welchen Themen die Planungswissenschaft besondere Aufmerksamkeit beimisst, unterliegt einem dynamischen Wandel. So spielten etwa Nachhaltigkeit, Soziale Stadt oder Metropolregionen zu unterschiedlichen Zeitpunkten eine markante Rolle. Vor diesem Hintergrund ist es bemerkenswert, dass innerhalb der Planungswissenschaft bislang nur sehr vereinzelt Untersuchungen vorliegen zu der eingangs gestellten Frage. Damit fehlt es auch an Modellen, die erklären könnten, warum ein planungswissenschaftliches Thema eine besondere Aufmerksamkeit erhält. Ausgehend von der Untersuchung der Fallbeispiele „Klimawandel“ und „Schrumpfende Städte“ wurde aufgezeigt, welche Faktoren für die Entstehung von Themen maßgeblich sind. Mit einem wissenschaftssoziologischen Blick wurden Handlungsorientierungen von Planungswissenschaftler_innen aufgedeckt. Mit Hilfe einer Netzwerkanalyse wurden zentrale Akteur_innen, deren Publikationen sowie wichtige Zeitabschnitte identifiziert und untersucht. Eine lexikometrische Diskursanalyse nam darüber hinaus inhaltliche Kontexte und Begriffszusammenhänge in den Blick. Darauf begründet lässt sich im Ergebnis des Projektes das Plädoyer formulieren, das Verständnis von Themenkarrieren als integralen Bestandteil von Raumforschung und Raumplanung zu vertiefen. Denn sie verändern als wesentliches Strukturierungselement die Planungswissenschaft sowie die Planungspraxis nachhaltig. Der im Projekt TIPKUS entworfene multiperspektivische Forschungsansatz ermöglichte es, Themenkarrieren in der (deutschsprachigen) Planungswissenschaft nachzeichnen und erklären zu können. Dafür war eine Reihe von theoretischen, inhaltlichen sowie methodischen Weiterentwicklungen nötig, die es in dieser Form im Bereich der Grundlagenforschung in den Planungswissenschaften bis dato nicht gab. Zu den theoretischen Erkenntnissen und wissenschaftlichen Fortschritten zählen: die Möglichkeit einer Konzeptionalisierung von Themenkarrieren anhand von konjunkturellen Phasenmodellen, welche auf theoretischen Vorannahmen zur Strukturierung des Systems Wissenschaft zurückgreifen können; sowohl Reputation als auch Ressourcen und formale Koordination gehören zu den wesentlichen Strukturierungselementen der Wissenschaft; stehen diese bei der spezifischen Themenwahl in Aussicht, erhöhen sie die Chance einer Themenkarriere wie in den gezeigten Beispielen des Klimawandels und der schrumpfenden Städte; wann und warum Themenkarrieren eine gesteigerte Aufmerksamkeit und anschließend ein nachlassendes Interesse erfahren, ist also weniger mit dem beobachteten Phänomen selbst, als vielmehr mit sozialen Faktoren sowie der diskursiven Konstitution des Themas zu erklären. Im Bereich der inhaltlichen Fortschritte ist erwähnenswert: -die Aufarbeitung der Entwicklung zweier zentraler planungswissenschaftlicher Themen, mit denen sich die Disziplin unter Aufwand zum Teil erheblicher finanzieller und personeller Mittel in den letzten Jahrzehnten eingehend auseinandersetzte; die Erkenntnis, dass Planungswissenschaft zum großen Teil weniger aus sich selbst heraus an der Entwicklung von Themen beteiligt ist, sondern vielmehr zu einem hohen Grad fremdreferenziell arbeitet; die Notwendigkeit von Möglichkeitsfenstern (zeitlich, politisch) für das Aufgreifen und Intensivieren thematischer Schwerpunkte, zunächst scheinbar unabhängig von inhaltlichen Fachbeiträgen zentraler Akteure der Disziplin; nicht zuletzt konnte im Verlauf des Projektes gezeigt werden, dass inhaltliche Begründungszusammenhänge immer dann eine besonders hohe Wirkung in Wissenschaft und Praxis erzielen, wenn sie auf den besonderen Handlungsbedarf im Schatten einer (vermeintlichen) Bedrohung abstellen. Folgende methodische Erkenntnisse und Fortschritte sind gelungen: die erfolgreiche Anwendung leitfadengestützter bibliographischer Interviews im Zuge einer quantitativen Netzwerkanalyse; die inhaltlich thematische Ausdifferenzierung der untersuchten Themen im Zeitverlauf mit Hilfe einer lexikometrischen Diskursanalyse jenseits einer rein sprachwissenschaftlichen Anwendung; die Erstellung einer Datenbank als Schnittstelle der umfangreichen Datenerhebung und –aufbereitung - diese diente sowohl als Grundlage für die quantitative Netzwerkanalyse als auch zur Zusammenstellung des Textkorpus inkl. der daraus extrahierten Teilkorpora für die einzelnen lexikometrischen Analyseverfahren; die Entwicklung eines heuristischen Phasenmodells als Analyserahmen für weitere empirische Forschungen im Bereich der Themenentwicklung; hierbei liegt der Nutzwert vor allem bei der Übertragbarkeit aus den Planungswissenschaften auf allgemeine wissenssoziologische Fragestellung sowohl im Bereich der empirischen Sozialforschung als auch der theoretischen Konzeption und Reflektion der Beobachtungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015): Das Schrumpfen akzeptieren: Europas Städte im demografischen Wandel, in: Aus Politik und Zeitgeschichte, Vol. 65, 31-32/2015, S. 27 - 33
    Wiechmann, Th.
  • (2015): Responding to Tough Times: Policy and Planning Strategies in Shrinking Cities, in: European Planning Studies, Vol. 23, Issue 1, S. 1 - 11
    Wiechmann, Th.; Bontje, M.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/09654313.2013.820077)
  • (2016) “Was im Dunkeln liegt, kann man nicht sehen.” Eine Spurensuche nach Diskurstheoretischen Impulsen in der Raumplanung. PND Online 2016 (1)
    Günzel, M.
  • (2016): Shrinking Cities in Australia, Japan, Europe and the USA: From a Global Process to Local Policy Responses, in: Progress in Planning, Volume 105, April 2016, S. 1-48
    Martinez-Fernandez, C.; Weyman, T.; Fol, S.; Audirac, I.; Cunningham-Sabot, E.; Wiechmann, Th.; Yahagi, H.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1016/j.progress.2014.10.001)
  • (2018) Bleibt alles anders? “Schrumpfung” als planungswissenschaftliche Repräsentation des Niedergangsdiskurses der Städte. In: Le déclin dans le monde germanique: mots, discours et représentations (1914-2014). Epure: Reims
    Günzel, M., Gravert, A., Wiechmann Th.
  • (2018): Planungstheorie. In: Akademie für Raumforschung und Landesplanung (Hg.): Handwörterbuch der Stadt‐ und Raumentwicklung, Hannover, S. 1771-1784
    Wiechmann, Th.
  • (2018): Raummuster: Demographischer Wandel und Klimawandel in deutschen Städten, in: Raumforschung und Raumordnung, Heft 3/2018, S. 211-228
    Schulze Dieckhoff, V.; Becker, D.; Wiechmann, Th.; Greiving, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/s13147-018-0530-7)
  • (2018): Urban Growth and Decline: Europe’s Shrinking Cities in a Comparative Perspective 1990-2010, in: European Urban and Regional Studies, Vol 25 (2), S. 122–139
    Wolff, M.; Wiechmann, Th.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1177/0969776417694680)
  • (2019) Wie entstehen Themen in der Planungswissenschaft? Raumforschung und Raumordnung 77 (1)
    Gravert, A., Günzel, M., Wiechmann Th.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.2478/rara-2019-0010)
 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung