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Jenseits des Ödipus . Topologien eines Theaters der Sorge
Antragsteller
Privatdozent Dr. Sebastian Kirsch
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Förderung
Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 249492900
Das Projekt soll untersuchen, in welcher Weise Formen des Gegenwartstheaters einen großflächigen Wandel genealogischer Bindesysteme reflektieren, der zu den prägenden Kennzeichen einer gesellschaftlichen Transformation gehört, die man mit Gilles Deleuze als >Übergang von Disziplinar- zu Kontrollgesellschaften< bezeichnen kann. Dabei lässt sich das Projekt von der Annahme leiten, dass das Theater als ästhetische Form spätestens seit der >Orestie< einen genuinen inneren Zusammenhang mit der Problematik genealogischer Verhältnisse und Abfolgen bildet. Es setzt mit der Beobachtung ein, dass die großen Schwellenzeiten, in denen das Theater sich neu formuliert hat (neben der griechischen Tragödie ist hier vor allem an die frühe Neuzeit, an das 18. sowie das frühe 20. Jahrhundert zu denken), immer auch epochale Umbrüche gewesen sind, in denen sich die Frage neu gestellt hat, wie der Bezug oder auch eine >Sorge< der Generationen organisiert werden kann. Aus dieser Perspektive lässt sich, so die grundlegende These des Projekts, das gegenwärtig verstärkt zu beobachtende Auftreten chorischer und choreographischer Theaterformen als spezifische Arbeit an einer Frage beschreiben, die derzeit auch aus sehr verschiedenen theoretischen Richtungen aufgeworfen wird: die Frage, ob und wie sich das Generationenverhältnis anders begreifen und regeln lässt als in jenem Modell väterlich (ödipal) strukturierter Genealogien, wie es etwa durch Lévi-Strauss oder den frühen Lacan dargestellt wurde (und das schon seit langem krisenhaft ist).Seinen begrifflichen Zugang entfaltet das Projekt über die neueren Auseinandersetzungen um die Topologie, die als ein nicht-metrisches Denken von Nachbarschaften, Relationen und netzwerkartigen Verknüpfungen etwa von Deleuze, dem späteren Lacan oder auch von Michel Serres auf die Möglichkeit anderer denn paternal strukturierter Zusammenhänge bezogen wurde. Wichtigster künstlerischer Untersuchungsgegenstand sind, neben exemplarischen Texten der abendländischen Theaterliteratur, Laurent Chétouanes choreographisches Sprechtheater und jüngere Theatertexte Elfriede Jelineks (speziell in den Inszenierungen von Karin Beier), zwei Positionen des Gegenwartstheaters, die nicht nur formal auf den besagten Wandel zu antworten versuchen, sondern zudem auf der Ebene ihrer Stoffe einen weitverzweigten historischen Horizont eröffnen, der das Thema der generationalen Sorge bis zu den antiken >Ursprungszeiten des Theaters< (Theo Girshausen) zurückverfolgt (z. B. die Tragödie, Artaud, Brecht, Fellini, Girard, Goethe, Heidegger, Jünger, Kleist und Schleef). Weitere, zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht feststehende künstlerische Materialien können je nach Bedarf hinzugenommen werden. Das Projekt soll an das Bochumer Institut für Theaterwissenschaft angebunden werden. Ziel ist eine selbständige Monographie.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen