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Ritualdesign für die Ballettbühne. Konstruktionen von Volkskultur im europäischen Theatertanz (1650-1760)
Antragstellerin
Professorin Dr. Hanna Walsdorf
Fachliche Zuordnung
Theater- und Medienwissenschaften
Kunstgeschichte
Musikwissenschaften
Kunstgeschichte
Musikwissenschaften
Förderung
Förderung von 2014 bis 2023
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 250241419
Hirten, Wilde, Schutzgottheiten: Über die Ballettbühnen Europas tanzten zwischen 1650 und 1760 etliche Figurentypen, die außerhalb der Grenzen jener höfisch geprägten Gesellschaftsschicht angesiedelt waren, die sie hervorbrachte. Es waren konstruierte (bukolische) Charaktere, Nationen und Provinzen, ausgestattet mit wohlverabredeten Attributen und Narrativen. Musik, Choreographie und Kostüme verbanden sich hier zu einem Theatertanzstil, der vom Transfer zwischen eigenen und fremden Kulturerscheinungen lebte: Nicht nur in seiner Konzeption und Aufführung, sondern gerade auch in seiner Materialität offenbarten sich die sozialen und nationalen Grenzmarkierungen. Der Ritualbezug ist offenkundig: Bei der tänzerischen Darstellung des Anderen, seien es bäuerliche Feste, edle Wilde oder antike Zeremonien, wurden wie selbstverständlich Raum- und Bewegungsmuster bedient, die dem Publikum den rituellen Rahmen der abgebildeten Handlung verdeutlichten. Auf einer breiten Materialbasis soll dieser Befund anhand von Fallbeispielen aus Paris, London, Mailand und Stuttgart in vier Teilprojekten systematisch untersucht und ausgewertet werden. Das erste Projektziel besteht darin, über eine sozial- und ideengeschichtliche Kontextualisierung des Theatertanzes seine transkulturelle Wirksamkeit für die ihn jeweils hervorbringende Kultur zu fassen. Transkulturalität soll hier in drei Varianten aufgefächert werden: So sollen Beispiele intrinsischer (Teilkulturen innerhalb einer Gesellschaft), extrinsischer (transnationale Kulturbegegnungen) und temporaler Transkulturalität (imaginierte Antike) unterschieden werden, in deren Schnittmenge auch Literaturadaptionen z.B. aus der bukolischen Tradition berücksichtigt werden. Die Ballettbühne wird mithin als Spiegel und Kristallisationspunkt gesellschaftlicher Paradigmen begriffen, wozu sowohl die zeitgenössischen Auffassungen zu berücksichtigen als auch neueste kulturwissenschaftliche Ansätze heranzuziehen sind. Das zweite Projektziel liegt in der Bestätigung der Annahme, dass sich die Ballettbühne als Resonanzboden politischer Entwicklungen deuten lässt: Reflektierten die in das Bühnengeschehen integrierten rituellen Handlungsmuster gesellschaftliche Verhältnisse? Im Direktvergleich der Fallbeispiele sollen mithilfe einer Bestimmung der Verwendungshäufigkeit der verschiedenen Ritualtypen die Bezüge aufgezeigt werden, die dadurch zu politischen Ereignissen und ideengeschichtlichen Entwicklungen hergestellt wurden. Die zentralen musik-, tanz- und kostümwissenschaftlichen Fragestellungen werden zugunsten eines umfassenden Verständnisses der Bühnengattung Theatertanz durch die Auslotung der soziohistorischen Zusammenhänge ergänzt. Das dritte Projektziel ist es, die Herkunft der in den Balletten des 17./18. Jahrhunderts verwendeten rituellen Handlungsmuster zu klären, ihren originalen performativen Charakter zu bestimmen und darüber eine Einteilung in diegetische und nicht-diegetische rituelle Tanzhandlungen im Ballett vorzunehmen.
DFG-Verfahren
Emmy Noether-Nachwuchsgruppen