Pandemien und die Ökonomie- Eine ökonomische Analyse der Spanischen Grippe in Skandinavien
Statistik und Ökonometrie
Wirtschafts- und Sozialgeschichte
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Gegenstand des vorliegenden Forschungsprojekts ist die ökonomische Analyse der Spanischen Grippe in Skandinavien. Hierbei stehen die mikro- und die makroökonomischen Auswirkungen der Pandemie in einer Lebenszyklusperspektive im Fokus. In Zeiten neuer Herausforderungen durch eine immer stärkere Vernetzung und Interaktion zwischen Menschen weltweit, schafft diese Analyse neue Erkenntnisse zu den ökonomischen Auswirkungen von Epidemien und Pandemien in einer globalisierten Welt. Teile des mikroökonomischen Projektbereichs basieren auf der sogenannten fetal origins oder auch Barker Hypothese. Diese besagt, dass Bedingungen in-utero weitreichende Folgen für das spätere Leben haben können. Im Mittelpunkt dieses Projekts stehen hierbei die Auswirkungen der Spanischen Grippe für Eheschließungen, Einkommen und Langlebigkeit. Um die Effekte zu bestimmen wird die wöchentliche Variation der Grippe-Intensität über 2.500 Gemeinden in Schweden ausgenutzt. Auch die Folgen für Fertilität, bedingt durch gestiegene Mortalität in Zeiten der Spanischen Grippe, und vorausschauendes Fertilitätsverhalten, bedingt durch Unsicherheit aufgrund von Morbidität und Mortalität, werden näher beleuchtet. Die Ergebnisse der mikroökonomischen Analyse deuten an, dass sowohl die kurz- als auch die langfristige Fertilität in Folge der Spanischen Grippe abnehmen. Reproduktionsfertilität um den Tod eines Kindes zu kompensieren scheint folglich keine Rolle zu spielen. Die Spanische Grippe hat jedoch nicht nur die Fertilität in direkt betroffenen Gebieten beeinflusst, sondern auch in Gebieten, die indirekt betroffen waren. Die indirekt betroffenen Gebiete haben den nahenden Gesundheitsschock antizipiert und haben ihre Fertilität bereits vor dem Eintreffen der Pandemie reduziert. Dies ist als klares Zeichen für vorausschauendes Fertilitätsverhalten zu deuten. Hinsichtlich der langfristigen Effekte einer in-utero Exposition lassen sich nur marginale Effekte auf Gesundheit, Einkommen und Eheschließungen identifizieren. Sozio-ökonomische und geografische Heterogenität scheinen jedoch von Relevanz für die Ergebnisse im mikroökonomischen Bereich der Analysen zu sein. Als Spin-off hat sich während der Projektlaufzeit ein weiteres mit der Spanischen Grippe indirekt in Bezug stehendes Thema zur Bearbeitung herausgestellt. Hierbei wird die Weltwirtschaftskrise in Schweden zu Beginn der 1930er Jahre in Hinblick auf Bildungsentscheidungen und deren langfristige Arbeitsmarkteffekte untersucht. Die Spanische Grippe dient hierbei als nicht zu vernachlässigende Kontrollvariable. Die Ergebnisse der Regressionsanalysen stellen einen positiven Effekt der Weltwirtschaftskrise auf die Bildung der betroffenen Individuen fest. Im makroökonomischen Teil des Projekts sind insbesondere die ökonomischen Kosten der Spanischen Grippe in einer mittel- und langfristigen Perspektive von Interesse. Ein „Overlapping Generations Model“ und die Konstruktion einer künstlichen Ökonomie ermöglichen hierbei ein Gedankenexperiment, welches den Einfluss der Spanischen Grippe von allen anderen Einflüssen (wie z.B. dem 2. Weltkrieg, gesteigerter Arbeitsmarktpartizipation von Frauen oder die Einführung der Altersabsicherung) losgelöst betrachtet. Die Ergebnisse implizieren einen positiven Effekt auf das Wohlbefinden der Überlebenden in einer mittelfristigen Perspektive. Aggregierte Variablen reagieren mittelfristig zudem nur unelastisch auf die Abnahme der Population. Langfristig hat die Pandemie einen großen kumulativen Effekt auf die Ökonomie und bedingt hohe Kosten in Bezug auf verlorenen Output. Da Pandemien, selbst heute in Zeiten moderner Gesundheitsversorgung, noch eine große Bedrohung, sowohl für Entwicklungsländer, als auch für wirtschaftsstärkere Staaten darstellen, sind die in diesem Projekt herausgestellten Ergebnisse relevant für mögliche dem Schock entgegenwirkende Politikmaßnahmen.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- (2017): Disease and Fertility: Evidence from the 1918 Influenza Pandemic in Sweden. IZA DP No. 10834
Boberg-Fazlic, N., Ivets, M., Karlsson, M., Nilsson, T.