Heinrich Claß. Politische Erinnerungen des Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes 1915-1933/36
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Editionsprojekt erschloss die umfangreichen Erinnerungen von Heinrich Claß (1868-1953), dem langjährigem Vorsitzenden des Alldeutschen Verbandes (1891- 1939), für die zeitgeschichtliche Forschung zum deutschen Nationalismus. Mit dem Abschluss des Projektes konnten zwei zentrale Ebenen umgesetzt werden, die bereits am Beginn des Projektes als Forschungsziel aufgestellt wurden: Die autobiographische und biographische Perspektive auf Claß ermöglichte erstens die Analyse der individuellen Erfahrungen von gesellschaftlichem Umbruch und fundamentalen Formveränderungen von Politik für den wichtigsten Repräsentanten des Alldeutschen Verbandes. Zweitens gestattete das Projekt eine Strukturgeschichte des Alldeutschen Verbandes im Übergang yon der wichtigsten Interessenorganisation des „alten“ bildungsbürgerlichen Nationalismus des Kaiserreichs zum Honoratiorenverband in der Weimarer Republik. Die Erinnerungen von Claß erlauben einen einzigartigen Zugriff auf die Bedeutung alldeutscher Ordnungsvorstellungen für die politische Rechte in außerparlamentarischen Verbänden und Parteien. Claß' Aufzeichnungen verweisen gleichzeitig auf die Begrenzung alldeutscher Politik aufgrund von Weltanschauungs und Mobilisierungskonkurrenzen mit „neuen“ paramilitärischen und populistischen Massenbewegungen der politischen Rechten seit dem Ersten Weltkrieg. Die Erinnerungen verdeutlichen die vielfältigen Versuche von Claß, Kooperationen innerhalb der sich fundamental verändernden politischen Rechten zu generieren. Trotz der Wandlungsfähigkeit des Alldeutschen Verbandes und der politischen Radikalisierung unter Claß' Verbandsführung von 1908 bis 1939 sowie der Adaption weltanschaulicher Kernelemente des Alldeutschen Verbandes durch die „neuen“ nationalistischen Organisationen vollzogen die Alldeutschen einen von der Forschung bisher kaum rezipierten Abgrenzungsprozess zu den radikaleren Organisationen nach 1918. Das Editionsprojekt kann zeigen, dass die „nationale Opposition“ zwischen Kaiserreich und Nationalsozialismus aufgrund einer sich rapide verändernden Deutungskultur des Nationalen viel stärker zersplittert und nach Weltanschauung und Milieu ausdifferenziert war, als es in der Forschung bisher systematisch reflektiert wurde.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
- Weltanschauung, Mobilisierungsstrukturen und Krisenerfahrungen. Antisemitische Radikalisierung des Alldeutschen Verbandes als Prozess 1912-1920, in: Jahrbuch für Antisemitismusforschung 24 (2015), S. 119-153
Björn Hofmeister
- Pan-German League, German Fatherland Party, und Rüdiger von der Goltz [3 Artikel]. In: encyclopedia.1914-18-online.net (Freie Universität Berlin/Uniyersity College Dublin)
Björn Hofmeister
- Volkstum, in: Online-Lexikon zur Kultur und Geschichte der Deutschen im östlichen Europa, hrsg. von dem Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKGE) 2016
Björn Hofmeister
- Heinrich Claß und der Alldeutsche Verband 1903-1933, in: Olivier Dard/Didier Musiedlak/Eric Anceau (Hrsg.): Etre nationaliste á l'ére des masses en Europe 1900-1920. Figures, réseaux et transfers, Brüssel 2017, S. 175-192
Björn Hofmeister
- Programmatische Deutungen und politische Auseinandersetzungen Alldeutscher Verband und NSDAP 1919-1932 , in: Grunewald, Michel; Dard, Olivier; Puschner, Uwe (Hg.) (2020): Confrontations au national-socialisme en Europe francophone et germanophone. Bruxell
Björn Hofmeister
(Siehe online unter https://dx.doi.org/10.3726/b17203)