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Integration und Performanz. Das Problem der Einheit der okzidentalen Stadt - Braunschweig und Ulm im Vergleich
Antragsteller
Professor Dr. Franz-Josef Arlinghaus
Fachliche Zuordnung
Mittelalterliche Geschichte
Förderung
Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251759524
Ziel des Projektes ist es, einen Beitrag zu einem neuen, anders gelagerten Verständnis der okzidentalen Stadt zu leisten. Dazu sollen die kommunalen Performanzen mit einem bisher dafür nicht verwendeten theoretischen Ansatz analysiert werden. Das Vorhaben thematisiert dabei ein Grundproblem der okzidentalen Stadt, das zwar schon von Max Weber gesehen, jedoch bisher bestenfalls implizit behandelt wurde.Die vormoderne Stadt bestand aus einer Anzahl von mehr oder weniger eigenständigen Gruppierungen und oder Stadtteilen bzw. Teilstädten. Sie unterschieden sich hinsichtlich ihrer Sozialstruktur teils deutlich voneinander und verfolgten ihre partikularen Interessen. Um gegen den adeligen Stadtherrn jene Autokephalie und Autonomie, die die okzidentale Stadt kennzeichnete, durchsetzen zu können, bedurfte es jedoch eines Mindestmaßes an Kohäsion.Arbeiten zu Prozessionen und Festen weisen wiederholt auf deren gemeinschaftsstiftendes Potential hin. Sie tun das jedoch a) ohne dies mit der eben geschilderten Problemstellung in Verbindung zu bringen. Zudem gehen die meisten Untersuchungen b) von einer letztlich psychologisch grundierten Vergemeinschaftung durch Performanzen aus. Das Vorhaben schlägt einen anderen Zugriff vor: Im Anschluss an das Konzept der Präsenzgesellschaft und der Vergesellschaftung unter Anwesenden wird 1. postuliert, dass die Kommune in der Kopräsenz gerade in rituellen Akte eigentlich erst hergestellt wird. Darauf aufbauend wird 2. davon ausgegangen, dass es bei diesen Akten nicht um Erzeugung von Identität, sondern um Integration ging. Integration wird in Anschluss an Luhmann definiert als die Möglichkeit der Kooperation von Teilsystemen bzw. die bewegliche Justierung von Teilsystemen zueinander. Integration ist damit wesentlich weniger voraussetzungsvoll als Identität.Performative Akte, so die These, waren nicht deshalb für die Kohäsion der Stadtgesellschaft entscheidend, weil sie zu einer psychisch grundierten Form der Vergemeinschaftung führten. Kern solcher Akte war vielmehr, die Eigenständigkeit der Teilverbände in der Stadt und zugleich ihr Zusammenwirken im Rahmen der Gesamtgemeinde herzustellen. In den performativen Akten wurden diese divergierenden Konzepte, weitgehende Selbstständigkeit etwa von Teilverbänden und Kohäsion der Gesamtkommune, miteinander verbunden und aufeinander bezogen. Bei den Performanzen ging es also um die Justierung der genossenschaftlichen Teilverbände in ihrem Verhältnis zueinander und zur Stadt insgesamt.Das Innovative des Vorhabens besteht darin, a) im Rückgriff auf einen neuen theoretischen Ansatz die Quellen anders zu lesen und zu interpretieren, als dies bisher getan wurde, dadurch b) ein anderes Verständnis der Bedeutung von performativen Akten für die Kommune zu erlangen, und schließlichc) ein neues Bild der Kommune zu zeichnen, das sich weiter von der Vorstellung des Nationalstaats im Kleinen entfernt und stärker an vormo¬dernen Gesellschaftsstrukturen orientiert ist.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen