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Kritik der Spekulation. Spekulation und Spekulationsblasen in kapital- und medientheoretischer Perspektive

Antragsteller Dr. Oliver Kuhn
Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251798362
 
Das Projekt entwirft eine allgemeine Theorie der Spekulation, mit deren Hilfe Funktionen und Folgen spekulativer Praktiken in verschiedenen gesellschaftlichen Feldern beschrieben und beurteilt werden können. Die hierfür benötigte Terminologie wird im Vergleich spekulativer Praktiken in Wissenschaft und Wirtschaft gewonnen und erprobt. Ein allgemeiner sozialtheoretischer Begriff der Spekulation liefert eine angemessenere Beschreibung des differenzierten gesellschaftlichen Umgangs mit Zukunft, Risiko und Unsicherheit, liegt aber in der Literatur derzeit als bloße Analogiebehauptung, nicht präzise ausgearbeitet vor.Folgende im Vorlauf entwickelte Arbeitsdefinition soll getestet werden: Als spekulativ lässt sich eine Kapitalinvestition bezeichnen, welche versucht, Profite aus der frühzeitigen Antizipation von Bewertungsentwicklungen zu generieren, indem sie gegen die Erwartungen des Mainstreams (des)investiert. Dieser Begriff schließt einerseits an ökonomische Definitionen, andererseits an Bourdieus Begriff der "subversiven", auf unsichere Chancen spekulierenden Investitionsstrategie an. Er lässt sich auf ökonomisches wie auf "wissenschaftliches Kapital" (Bourdieu) beziehen. Nach der evaluativen Tendenz lassen sich zwei Modi unterscheiden: Entweder werden "steigende" Projekte frühzeitig antizipiert, bevor "die Masse" ihr Steigen erwartet und dadurch realisiert (Pionierspekulation). Oder es wird rechtzeitig desinvestiert, bevor "der Durchschnitt" den Wertverlust eines Projektes erwartet und diesen damit realisiert (Blasenspekulation). Gegenüber Investitionen auf Grundlage normalisierter, konventioneller Erwartungen werden Spekulationen als Zukunftsimaginationen außerordentliche Chancen zugeschrieben, bei erhöhtem Risiko des Kapitalverlusts (z.B. wiss. Reputationsverlust).Durch empirische Sekundäranalyse und theoretische Synthese wird die Studie zur informierten Kritik der Spekulation beitragen. Das wissenschaftliche Urteil über Funktionen und Folgen spekulativer Praktiken ist derzeit für Wissenschaft wie Wirtschaft ähnlich diffus: Die Kritik leistungsloser Kapitalaneignung durch eine zirkuläre Selbstbestätigung spekulativer Erwartungen oder der kollektiven Fehlallokation von Kapital (Blase) steht einer Heroisierung der Übernahme spekulativer Risiken und der Innovationsfunktion von Spekulation gegenüber. Nur mithilfe einer präzise beschreibenden, die verfügbare empirische Forschung ausschöpfenden Theorie der Spekulation lässt sich klären, unter welchen Bedingungen sich eher intendierte oder perverse Effekte durchsetzen und inwieweit sich beide Seiten isolieren lassen. Die möglichen Kosten einer regulierenden Repression von Spekulation werden für beide Felder diskutiert. Und schließlich ist zu prüfen, ob die Beschreibung der je nach Konjunktur euphorischen oder repressiven gesellschaftlichen Reaktionen auf Praktiken subversiver Spekulation nicht auch ein bedeutendes zeitdiagnostisches Potenzial birgt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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