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Entstalinisierung in der Provinz: Barnaul und die Altairegion 1953-1964

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 251857643
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Studie fokussierte sich auf ein historisches Phänomen, das für die Geschichte der Sowjetunion und für das ganze sozialistische Lager kaum überschätzt werden kann. Die vorhergehenden Forschungen stellten einen breiten, multidimensionalen, ambivalenten Charakter der Entstalinisierung fest. Der Begriff der „Entstalinisierung“ umfasst in dieser Studie nicht nur die politischen, sondern auch die sozialen und kulturellen Veränderungen in der Sowjetunion nach dem Tod Stalins. Das breite Spektrum dieser Veränderungen und die ambivalenten Züge der Entstalinisierung erforderten für eine weitere Annäherung an das Phänomen die Untersuchung konkreter lokaler Veränderungen und Entwicklungen. Das Ergebnis der Studie ist die Darstellung eines Schauplatzes der Entstalinisierung, der einerseits als typische sowjetische Peripherie, anderseits als ein besonderer Ort gelten kann, in der die Entstalinisierungsmaßnahmen im vollen Umfang ihre Spuren hinterlassen haben. Die Aufmerksamkeit auf das breite Spektrum des Lebens vor Ort ermöglichte es dem Verfasser, die Chronologie und die Art und Weise, wie die große Politik in die regionale Gesellschaft eindrang, zu beleuchten. Die Studie macht die Vielfältigkeit der Akteure sichtbar, die in den Wandel der Situation geraten waren und seit den ersten Geschehnissen der Entstalinisierung nicht nur Zuschauer, sondern auch Mitläufer und Mittäter waren (unter ihnen Partei- Staatsfunktionäre, Angestellte der Staatsanwaltschaft und der Miliz, Parteimitglieder, öffentliche Aktivisten, ehemalige Häftlinge und „einfache“ Menschen), die durch eine breite Palette an Kommunikationen, durch Meinungen, Äußerungen, Gerüchte und Handlungen die weitere Entwicklung der Entstalinisierung beeinflussten. Die Annährung der Studie an die regionalen Akteure in der Peripherie begrenzte zentralausgerichtete Paradigma der Entstalinisierung. Die Arbeit demonstriert, wie die Erfahrungen in der Provinz, wie Stimmungen und Interessen die Entstalinisierung nicht nur beeinflussten, sondern auch die zentralen Maßnahmen der neuen Epoche bestimmten. Die Forschungsarbeit macht die Vielfältigkeit, die Ambivalenzen und die Paradoxe der alltäglichen Auswirkungen der Entstalinisierungsmaßnahmen in der lokalen Situation sichtbar. Dank der Studie ist zu erkennen, wie die Variationen des „Eigen-Sinns“ entstanden und sich in verschiedenen sozialen Gruppen entwickelten. Die Aufmerksamkeit der Forscher lag nicht nur auf einzelnen Akteuren, sondern auch auf sozialen Gruppen. Dadurch war es möglich, im Rahmen der Region die Mechanismen und die gemeinsamen gesellschaftlichen Tendenzen vor dem Hintergrund der Entstalinisierung aufzuzeigen. Ein Teil der Forschung widmete sich den illegalen, inoffiziellen Praktiken in der regionalen Gesellschaft. Mit dieser Arbeit lässt sich nicht nur die Zunahme der Konflikte im Verlauf der Entstalinisierung zwischen Gesellschaft, sozialen Gruppen und Macht sowie zwischen regionalen Akteuren auf verschiedenen Ebenen bestätigen, sondern auch die wichtigen, informellen Mechanismen in verschiedenen Bereichen des Lebens in der Peripherie konnten aufgezeigt werden. Dadurch konnte verdeutlicht werden, dass bei der Umsetzung der Entstalinisierungsmaßnahmen nicht nur die Aktivitäten der Bevölkerung, sondern auch die der Machtvertreter teilweise unrechtmäßig waren. Die Studie ist ein Versuch, basierend auf verschiedenen Herangehensweisen die unterschiedlichen Praktiken der Kommunikation zwischen der Macht und der Gesellschaft darzustellen, um ihre Entwicklung und Bedeutung für beiden Seiten auf dem Hintergrund der Entstalinisierung zu erfassen. Die Arbeit zeigt, dass die Entstalinisierung ein Phänomen der Zusammenarbeit von zentralen und regionalen Mächten war. Die Studie macht die Bereiche sichtbar, das Ausmaß und die Besonderheiten der Arbeit der regionalen Behörden, die zwischen der zentralen Macht und der regionalen Gesellschaft standen und bei der Umsetzung der Entstalinisierungsmaßnahmen auf beiden Ebenen handelten und sich gegenseitig beeinflussten. Die Studie dient der Erweiterung des Entstalinisierungsbegriffes im chronologischen und inhaltlichen Sinne und begreift die Entstalinisierung als einen breiten Prozess von Veränderungen, deren sozio-ökonomischen Dimensionen nicht weniger relevant als ihre politischen Aspekte waren. Die Erfolge, Misserfolge, Begrenzungen und die Ambivalenz der Entstalinisierung wurden durch die zentralen und regionalen Machthaber sowie durch die kleinen Akteure bestimmt.

 
 

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