Detailseite
Projekt Druckansicht

Warum dezentralisieren nationale Parteien politische Autorität? Eine Analyse von ideologischen und elektoralen Parteienkalkülen auf der territorialen Dimension.

Fachliche Zuordnung Politikwissenschaft
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 252054368
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die bisherigen und in Bearbeitung befindlichen Arbeiten, die aus dem Projekt hervorgegangen sind, bringen die Forschung zum Verständnis von Dezentralisierungsprozessen in sechserlei Hinsicht voran. Erstens zeigen wir, dass weit verbreitete Perspektiven auf die Kalküle von Parteien in Dezentralisierungsprozessen einer systematischen Prüfung nicht standhalten. Elektorale Kalküle nationaler Regierungsparteien können Dezentralisierungsreformen nicht systematisch erklären. Konsequenterweise profitieren nationale Parteien auch weder kurzfristig noch langfristig von Dezentralisierungsreformen. Zweitens sind wir nach unserem Wissen die ersten, die die Argumente der Konfliktforschung und Parteienforschung zu territorialer Politik im Hinblick auf Dezentralisierungsprozesse zusammenführen. Es wird deutlich, dass viele Perspektiven aus der Konfliktforschung, in der Dezentralisierungsreformen als ein Entgegenkommen des Zentrums an fordernde Minderheiten betrachtet werden, die Bedeutung der ideologischen Positionierung beider Akteure unterschätzen. Ganz grundsätzlich kann man sagen, dass der Konfliktforschung in dieser Frage eine Akteurs-Perspektive fehlt und somit der Zeitpunkt von Dezentralisierungsreformen nicht plausibel gemacht werden kann. Drittens halfen viele Aspekte der territorialen Parteienforschung sowie der Konfliktforschung bei der Entwicklung einer eigenen theoretischen Fundierung unserer Analysen. Die ideologische Nähe zwischen dominanter nationaler Partei und den führenden politischen Kräften auf der regionalen Ebene hat sich in systematischen Tests für die Erklärung asymmetrischer und ansatzweise auch für symmetrische Dezentralisierungsreformen als eine notwendige Bedingung herausgestellt hat. Viertens ergibt sich aus unserem Argument und der qualitativen Analyse von regionalistischen Parteien ein klarer Hinweis an die Forschung zu Nischenparteien (einem ähnlichen Argument folgt Basile (2015) am Beispiel von Italien), ihre Überlegungen zu modifizieren. Zwar betonen regionalistische Parteien territoriale Themen überdurchschnittlich häufig, zugleich sind sie aber in den allermeisten Fällen auch auf den Standarddimensionen der Mainstreamparteien sehr klar zu verorten. Nur deswegen lassen sich Fragen ideologischer Nähe überhaupt analysieren. Damit stellt sich die Frage nach der strategischen Ausrichtung regionalistischer Parteien mit multidimensionalen Strategien. Denn diese, und das zeigen die quantitativen wie auch die qualitativen Analysen sehr deutlich, können verheerende Konsequenzen für die Ausstattung von Regionen mit Autorität und Ressourcen haben. Das Argument der ideologischen Nähe kann aus dieser Perspektive aber auch zu einem Endogenitätsproblem werden. Regionalistische Parteien könnten sich aus strategischen Gründen ideologisch nah an den nationalen Regierungsparteien positionieren und somit Autorität erlangen. Eine genauere Analyse der Positionierung regionalistischer Parteien legt aber nahe, dass die ideologische Ausrichtung regionalistischer Parteien, genau wie bei Mainstreamparteien, erheblichen Pfadabhängigkeiten unterliegt und nicht flexibel auf wechselnde Mehrheiten im Zentrum reagieren kann. Fünftens verweist die Bedeutung ideologischer Nähe auch darauf, dass Kalküle der Ressourcen- Allokation innerhalb von Organisationen wie Parteien zu kurz gefasst sind, denn Autorität und Ressourcen werden nach unseren Ergebnissen auch bereitwillig anderen Organisationen überlassen, sobald sie eine gewisse ideologische Nähe aufweisen. Sechstens verdeutlichen unsere vorläufigen Ergebnisse zu den langfristigen Parteiensystemdynamiken, dass sowohl die Argumente der Konsolidierung von Parteien auf politischen Ebenen mit viel Autorität als auch die Erwartungen zu Parteiensystemprozessen nach Dezentralisierungsreformen der „second-orderness“ Literatur langfristig wirksam sind. Dezentralisierung führt zwar zu unterschiedlichen Dynamiken in asymmetrischen und symmetrischen Kontexten. Langfristig erfolgen allerdings in beiden Kontexten eine Regionalisierung der Parteienlandschaft sowie eine Verringerung von Fragmentierung. Dies bedeutet gleichzeitig eine nationale Desintegration der Parteienlandschaft, die mit einem erheblichen Anstieg der Parteiensystemfragmentierung auf der nationalen Ebene einhergeht. Zudem zeigt sich, dass die „second-order“ Literatur mit ihrer top-down Perspektive um eine bottom-up Perspektive ergänzt werden muss. Denn regionale Parteiensystemdynamiken wirken in dezentralisierten Staaten stärker auf nationale Dynamiken als umgekehrt.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung