Leistungsfähigkeit, Stresshormonspiegel und psychische Funktionen bei von Insolvenz bedrohten Unternehmern: Evaluation eines Coachingprogramms (InsoCoach)
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Zu der gesellschaftlich relevanten Frage der Auswirkungen unternehmerischer Insolvenzen erhalten die nicht-ökonomischen Aspekte oft wenig Aufmerksamkeit. Bisherige Studien zu den gesundheitlichen und psychologischen Folgen einer Insolvenzbedrohung für die betroffenen Geschäftsführer basieren auf retrospektiven Interviews und vernachlässigen die Frage der möglichen kognitiven Leistungsbeeinträchtigungen. Daher untersuchte das Projekt mit objektiven Messverfahren die Gesundheit und die kognitiven Funktionen von 51 aktuell von drohender bzw. laufender Insolvenz betroffenen Unternehmern (Insolvenzgruppe) im Vergleich zu einer Kontrollgruppe von 51 solventen Unternehmern. Darüber hinaus erhielten 21 Unternehmer der Insolvenzgruppe mehrere professionelle Coachingeinheiten durch Psychologen, die als Unternehmensberater tätig sind, und wurden in anschließenden Zweitmessungen (n=19) erneut untersucht. Insolvente und insolvenzbedrohte Unternehmer wiesen tatsächlich schlechtere Gesundheitswerte (geringere Schlafqualität; selbstberichtet geringeres Wohlbefinden und höhere vitale Erschöpfung; höhere Cortisol- und Cortisonwerte im Haar; r = .23 bis .37) und geringere Leistungen in den Tests exekutiver kognitiver Funktionen (Daueraufmerksamkeit und Entscheidungsqualität bei der Risikoanpassung; r = .25 und .32) auf als die Kontrollgruppe. Von der Erst- zur Zweitmessung hat sich die vitale Erschöpfung verringert, Wohlbefinden sowie Daueraufmerksamkeit haben sich erhöht (mittlere bis große Effekte). Keine Veränderungen gab es bei Schlafqualität, Cortisol- und Cortisonwerten im Haar und Entscheidungsqualität bei der Risikoanpassung. Unternehmer und Coaches schätzten die Effektivität der Coachings als hoch ein, wobei sie Veränderungen von Gedanken und Gefühlen sowie problembezogene Verbesserungen am wirksamsten beurteilten. Die Ergebnisse unterstützen die bisherigen Interviewstudien zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen insolventer Unternehmer. Dabei ist insbesondere die Erweiterung der Forschung um den Aspekt der kognitiven Funktionen und der Selbstführung hervorzuheben. Dass in dieser Situation einer wirtschaftlichen Krise nicht nur oft die Gesundheit beeinträchtigt ist, sondern auch wichtige Gehirnfunktionen, ist eine wichtige Information. Diese ist für die betroffenen Unternehmer selbst relevant und sollte unseres Erachtens auch dazu führen, dass Interventionen mit Blick auf unternehmerische Insolvenzen angepasst werden. Auch wenn die hier vorgenommene Coachingevaluation keine kausalen Aussagen zulässt, wurden damit wichtige Daten gewonnen, die als Ausgangspunkt für die Entwicklung spezialisierter Beratungs- und Weiterbildungsangebote für Unternehmer und Multiplikatoren dienen können.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2015). Beeinträchtigte Selbstführung bei Stress und Krisen. 9. Fachgruppentagung Arbeits-, Organisations- und Wirtschaftspsychologie der DGPs, Mainz
Sperling, J., Wegge, J., Jungbauer, K., & Wach, D.
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(2016). Coaching von Unternehmern bei (drohender) Insolvenz. 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Leipzig
Sperling, J., Wegge, J., Jungbauer, K.-L., & Wach, D.
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(2016). Self-leadership of entrepreneurs in crisis. 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie (DGPs), Leipzig
Sperling, J., Wegge, J., Jungbauer, K.-L., & Wach, D.
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(2017). Business failure impact on entrepreneurs’ health and cognitive functioning. EAWOP Konferenz 2017, Dublin
Sperling, J., Wach, D., von Fournier, C., & Wegge, J.
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(2017). Coaching von Unternehmern bei (drohender) Insolvenz. 10. Fachgruppentagung Arbeits-, Organisationsund Wirtschaftspsychologie der DGPs, Dresden
Sperling, J., Wach, D., Schermuly, C. C., & Wegge, J.
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(2018). Krisen als Problem im Coaching. In S. Greif, H. Möller, & W. Scholl (Hrsg.), Handbuch Schlüsselkonzepte im Coaching (S. 325-334). Heidelberg: Springer
Sperling, J., Augustin, A., & Wegge, J.