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Molekulare Charakterisierung der toxikologischen Wirkung des marinen Biotoxins Okadasäure in in vitro-Modellen der humanen gastrointestinalen Barriere und der Leber

Fachliche Zuordnung Public Health, Gesundheitsbezogene Versorgungsforschung, Sozial- und Arbeitsmedizin
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 252591399
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das marine Biotoxin Okadasäure wird von Algen der Gattungen Dinophysis und Prorocentrum gebildet. Aufgrund seines lipophilen Charakters akkumuliert es im Hepatopankreas von Schalentieren und löst nach dem Verzehr hochkontaminierter Meeresfrüchte die diarrhöische Muschelvergiftung (diarrhetic shellfish poisoning - DSP) aus. Auf molekularer Ebene stellt Okadasäure einen starken Inhibitor der Serin/Threonin-Phosphatase 1 und 2A (PP1 und PP2A) dar, wodurch das intrazelluläre streng regulierte Gleichgewicht von Phosphorylierungs- und Dephosphorylierungsreaktionen gestört wird. Dies wirkt sich auf fast alle Regulationsprozesse der Zelle aus, aber auch auf zelluläre Grundeigenschaften wie Zelladhäsion, Zellmotilität und Dynamik des Zytoskeletts. Die Zerstörung der intestinalen Barriere wird mit eben genannten Eigenschaften der Okadasäure in Verbindung gebracht. Daher war es Ziel dieser Studie, den Einfluss der Okadasäure mit einem Modell der humanen intestinalen Barriere (Caco-2-Zelllinie) zu untersuchen, da diese die erste Zielstruktur der Okadasäure zu sein scheint. Hier sollte besonders der Fokus auf zwei verschiedene Expositionsszenarien gelegt werden: Die Aufnahme von Okadasäure-Mengen, die im Bereich des gesetzlichen Grenzwertes liegen (ca. 20 nM), von der angenommen wird, die DSP nicht auszulösen und hohe Dosen, die bei einer Intoxikation vorkommen. Die Ergebnisse dieser Studie zeigen, dass für Okadasäure im Niedrigdosisbereich ein aktiver Effluxmechanismus aus den Darmzellen hinaus in Richtung Darmlumen existiert. Dieser Transport wird durch ABCB1 (P-Glycoprotein) vermittelt. Bei höheren Konzentrationen an Okadasäure (ca. 100 nM) nimmt die Integrität der intestinalen Barriere ab. Dies konnte anhand zunehmender Zytotoxizität und abnehmenden Werten des transepithelialen elektrischen Widerstands nachgewiesen werden. Um die Ursache der Zerstörung des Caco-2- Zellverbands näher zu untersuchen, wurden verschiedene tight junction-Proteine bezüglich Gen- und Proteinexpression sowie ihrer funktioneller Eigenschaften untersucht. Nach 8- bzw. 24-stündiger Behandlung der Caco-2-Zellen mit Okadasäure (80 bzw. 150 nM) erfolgte eine Hochregulierung der Gene CLDN2, CLDN4 und TJP1. Die Verifizierung dieser Daten mittels Western Blot ergab jedoch keinen veränderten Proteingehalt für CLDN2, zeigte aber einen Anstieg des Proteingehalts von CLDN4 und eine Abnahme des Proteingehalts von ZO-3. Um die Funktionalität der intestinalen tight junction-Proteine zu untersuchen, wurden Immunofluoreszenzfärbungen der Proteine ZO-1, Claudin-2, Claudin-4 und Occludin durchgeführt. Dabei konnten konzentrationsabhängige Effekte von Okadasäure auf die strukturelle Organisation des Zytoskeletts und der von tight junction-Proteinen in einem lebensmittelrelevanten Bereich detektiert werden. Bei der Aufnahme von Okadasäure-Mengen, die oberhalb des gesetzlich festgelegten Grenzwerts liegen, kann es zur Zerstörung der Barrierefunktion des intestinalen Epithels kommen. Dies bedeutet übertragen auf die in vivo-Situation, dass die Okadasäure das intestinale Epithel passiert und mit dem Pfortaderblut zur Leber transportiert wird. Die Leber ist von entscheidender Bedeutung für den Metabolismus von Xenobiotika. Zur Simulation des Fremdstoffmetabolismus wurden verschiedene Leberhomogenate von Mensch und Ratte eingesetzt. Die Untersuchung des Metabolismus von Okadasäure zeigte eine Toxifizierung der Okadasäure durch eine verstärkte Induktion der Zytotoxizität auf die Leberzelllinie HepG2. Enzyme, die zum Metabolismus beitragen sind CYP3A4 und CYP3A5 und die entsprechenden Rattenorthologe. Für die humane CYP1A2 konnte eine Toxifizierung der Okadasäure durch eine stärkere Zytotoxizität in HepG2-Zellen nachgewiesen werden. Die Analyse der Bildung von Metaboliten zeigte jedoch nur für die zellfreien Ansätze mit CYP3A4/3A5 und den entsprechenden Rattenorthologen eine Bildung oxidierter Okadasäure-Metaboliten, in dem Ansatz mit CYP1A2 wurden keinerlei Metaboliten neben der Muttersubstanz detektiert. Zusammen genommen zeigen die stärkere Zytotoxizität von Okadasäure durch NADPH-unabhängige Enzyme sowie CYP1A2 und die gleichzeitige die Abwesenheit von Metaboliten in diesen Ansätzen, dass womöglich die Okadasäure-Toxizität durch die Bildung reaktiver Intermediate verursacht wird. In der Literatur ist bereits beschrieben, dass Okadasäure als Induktor der Lipidperoxidation fungieren kann. Diese Lipidperoxide können freie Radikalreaktionen auslösen, die zu Membranschäden führen, mit Makromolekülen wie Proteinen interagieren und somit letztendlich Zytotoxizität induzieren. Innerhalb dieser Untersuchungen ließen sich jedoch keine erhöhten Mengen an reaktiven Sauerstoffspezies nachweisen. Zusammenfassend zeigen die Ergebnisse dieser Studie eine Zerstörung der gastrointestinalen Barriere im humanrelevanten Dosisbereich, welcher durch die Aufnahme hochkontaminierter Schalentiere erreicht werden kann. Hier ist jedoch nach wie vor unklar, ob die Zerstörung des tight junction-Netzwerks der Grund oder das Resultat der starken Zytotoxizität der Okadasäure ist.

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