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Geschichte der Prüfungstechniken 1900 bis 2000

Fachliche Zuordnung Theoretische Philosophie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 252697240
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Angesichts der Vielfalt der individuellen Forschungsinteressen können hier nur einige, die Arbeit im Netzwerk prägende Ergebnisse vorgestellt werden. a) Modelle des Prüfens: In der Untersuchung der verschiedenen Prüfungsformen (wie Eignungsoder Intelligenztest etc.) und in der Analyse geeigneter Prüfungsbegriffe zeigte sich, dass es eine verbindende Ebene gibt: Modelle des Prüfens. Solche Modelle stellen die soziale Konfiguration und die Idee, welche der Prüfung zugrunde liegt, dar: Prüfungsformen kann das Modell eines Zweikampfs zugrunde liegen (informelle Bewährungsprobe), das Modell der Messung von Materialeigenschaften (psychotechnischer Eignungstest) oder das Modell der optischen Täuschung (wie der Stab im Wasser, der gebrochen erscheint; vgl. dazu insbesondere die Aussageprüfungen). Diese Ebene wurde bislang nur zufällig und randläufig in der Forschungsliteratur angesprochen. Sie weist unseres Erachtens große Analysepotenziale auf, da sie Wandel oder Kontinuität unterhalb der Geschichte der Prüfungsformen sichtbar macht. b) Wirksamkeit von Prüfungen: Zur Wirksamkeit von Prüfungen gehört, dass Subjekte sich an den Maßstäben orientieren, welche an sie angelegt werden. Dadurch changiert die psychometrische Prüfung zwischen zwei Ebenen: Sie erscheint als rein deskriptive Messung, doch die bloße Einführung eines (notwendig normativen) Maßstabs verändert, woran sich Personen orientieren. Jenseits der Kritik an der Ungerechtigkeit von Prüfungen (ungleiche Chance, fehlende Validität) zeigte sich eine Ebene des Politischen von Prüfungen, die durch wissenschaftstheoretische Überlegung bislang nicht erfasst wurde. c) Geschichte des Prüfens im 20. Jahrhundert: Bisherige Selbstbeschreibungen der Psychologie als auch soziologische Diagnosen sind nicht ausreichend, um den Wandel der Prüfungen im 20. Jahrhundert zu beschreiben. Dafür müssen andere Ebenen der Untersuchung definiert werden. Solche wurden im Netzwerk unter dem Titel „Evolutionäre Prüfungsdispositive vs. Dispositive der Arbeit an sich selbst“ vorgestellt. In evolutionären Prüfungsdispositiven wird die gesellschaftliche und individuelle Differenzierung nach dem Modell der Evolutionstheorie behandelt. Sonderumwelten (Büros der Angestellten, Straßenbahn, U-Boot etc.) werden durch Prüfungen als Selektionsmechanismus in Bezug zu Variation der Individuen gesetzt. Damit zeichnet sich ein evolutionäres Dispositiv ab: Mutation (differentielle Psychologie), Selektion (Prüfung) und Anpassung (Eignung) sind die bestimmenden Motive. Die Prüfung simuliert dabei die Sonderumwelten und testet, wie gut Individuen an die jeweilige Sonderumwelt (der Angestellte im Büro, der Nachtwächter, der Flugbeobachter, die Schülerin im Gymnasium etc.) angepasst sind. Damit stellen sie einen wichtigen Mechanismus der gesellschaftlichen Differenzierung dar. Erst ab den 1970er Jahren spielte die Psychometrie als Medium der Selbsterkenntnis und Selbstformung eine größere Rolle. Zu den Überraschungen im Projektverlauf gehören die drei Ergebnisse, die in der Literatur bislang kaum oder gar nicht gewürdigt worden sind. Ferner scheint das Thema Geschichte der Prüfungen inzwischen einen Schub erfahren zu haben. An mehreren Standorten entstehen derzeit Arbeiten zu dem Thema.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2014): Die soziale Konstruktion individueller Leistung. Forschungsperspektiven zwischen Geschichts- und Sozialwissenschaften, in: Neue Politische Literatur 59, H. 1, S. 63-87
    Nina Verheyen
  • (2014): Maßstäbe der Macht. Psychologische Prüfungen als Techniken des Selbst. In: Andreas Kaminski, Andreas Gelhard (Hg.): Zur Philosophie der informellen Technisierung. Darmstadt, S. 171–184
    Kaminski, Andreas
  • (2015): Die Regierung des Möglichen. Optimieren und Messen als pädagogisches Projekt um 1900. In: kultuRRevolution. Zeitschrift für angewandte Diskurstheorie 69, S. 79-85
    Heßdörfer, Florian
  • (2016): Beruf und Persönlichkeit: eine Geschichte von Stabilität und Flexibilität im 20. Jahrhundert. Zürich
    Malte Bachem
  • (2016): Von Zetteln und Apparaten. Subjektivierung in bundesdeutschen und britischen Arbeitsämtern. In: Zeithistorische Forschungen/Studies in Contemporary History 13, S. 466–487
    Wiebke Wiede
  • (2017): Measuring Intelligence effectively. Psychometrics from a Philosophy of Technology Perspective. In: Alfred Nordmann, Nicola Moeßner (Hg.): Reasoning in Measurement. London, S. 146–157
    Kaminski, Andreas
  • (2018): Die Erfindung der Leistung, Berlin
    Nina Verheyen
  • (2018): Die harmonische Gesellschaft. Das evolutionäre Prüfungsdispositiv um 1900. In: Sabine Reh, Norbert Ricken (Hg.): Leistung – Entstehung und Transformation eines pädagogischen Paradigmas. Wiesbaden, S. 227–249
    Kaminski, Andreas
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1007/978-3-658-15799-9_10)
  • (2018): Skeptische Bildung: Prüfungsprozesse als philosophisches Problem. Zürich, Berlin
    Gelhard, Andreas
 
 

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