Voll motorisiertes Calcium- und Live-Cell-Imaging Fluoreszenz-Mikroskop
Biologische Chemie und Lebensmittelchemie
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Die Arbeitsgruppe von Prof. Fürst am Institut für Pharmazeutische Biologie der Goethe-Universität Frankfurt beschäftigt sich mit der Identifizierung und Charakterisierung von biogenen Substanzen, d. h. von Naturstoffen aus Pflanzen oder Mikroorganismen. Für die Arbeitsgruppe von Interesse sind dabei Naturstoffe mit pharmakologischer Wirkung auf humane Endothelzellen, da Fehlregulationen des Endothels an vielen krankheitsassoziierten Prozessen beteiligt sind, wie z. B. an chronischen Entzündungen oder an Krebs/Metastasierungsvorgängen. Der Schwerpunkt wird dabei auf die Erforschung von Naturstoffen als Leitstrukturen für Arzneistoffe und auf die Aufklärung der zugrundeliegenden Mechanismen und Zielstrukturen dieser Stoffe in Endothelzellen (Targets) gelegt. Bei dem von der DFG bewilligten Forschungsgroßgerät handelt es sich um ein voll motorisiertes Calciumund Live-Cell-Imaging Fluoreszenz-Mikroskop. Zum einen ermöglicht es die Identifizierung biologisch aktiver Naturstoffe durch sogenanntes High-Content-Screening, in dem verschiedene Zellfunktionen, wie zum Beispiel endotheliale Bewegungsprozesse, live und automatisiert erfasst werden können. Zum anderen wird das Großgerät zur Messung von intrazellulären Calcium-Konzentrationen verwendet. Calciumionen stellen eines der wichtigsten Signalsysteme in Endothelzellen dar. Das Großgerät kam bisher vor allem in drei großen Projekten zum Einsatz, die im Folgenden kurz dargestellt werden: 1) DFG-gefördertes Projekt „Weißdorn-Extrakt WS® 1442“: Extrakte aus der Arzneipflanze Weißdorn (verschiedene Crataegus-Arten), wie zum Beispiel WS® 1442 der Firma Dr. Willmar Schwabe GmbH & Co. KG (Karlsruhe), können aufgrund der positiven Ergebnisse klinischer Studien zur Linderung der Symptome einer leichten Form der Herzinsuffizienz eingesetzt werden. Neben den bekannten verstärkenden Wirkungen von WS® 1442 auf die Schlagkraft des Herzens und auf den Blutfluss der Koronararterien, konnte meine Gruppe zeigen, dass der Extrakt die Barrierefunktion vaskulärer Endothelzellen (endotheliale Permeabilität) steigert und somit der Ödembildung, einem typischen Symptom der Herzinsuffizienz, entgegenwirkt. Die molekularen Mechanismen dieses Effekts konnten im Detail identifiziert werden. Für die weiterführenden Untersuchungen zur Identifizierung der bioaktiven Inhaltsstoffe des Extrakts, die für seine Wirkung verantwortlich sind, wurde das Forschungsgroßgerät eingesetzt: In hunderten, sehr aufwendigen Calcium-Messungen wurden verschiedene phytochemische Fraktionen und Sub-Fraktionen des Extrakts in einem iterativen Verfahren (bioguided fractionation) getestet. Erstaunlicherweise zeigte sich, dass Flavonoide, ein Hauptbestandteil des Extrakts, nicht relevant waren, wohl aber Triterpene. Durch den Einsatz des Großgeräts konnte somit ein entscheidender Schritt im Verständnis der chemischen Wirkprinzipien des Phytotherapeutikums WS® 1442 erbracht werden. 2) DFG-gefördertes Projekt „Prätubulysin“: Prätubulysin bindet an Tubulin und führt zur Zerstörung des zellulären Mikrotubuli-Apparats. Die Substanz leitet sich von dem myxobakteriellen Naturstoff Tubulysin ab und ist durch organisch-chemische Synthese gut zugänglich. Im Rahmen der DFG-Forschergruppe 1406 wurden antitumorale, antiangiogene und Metastasen-inhibierende Wirkungen von Prätubulysin entdeckt und molekularpharmakologisch in vitro und in vivo charakterisiert. In einem Folgeprojekt untersuchte meine Arbeitsgruppe die Mechanismen der Metastasen-Inhibierung. Dabei wurde der Fokus auf die Wirkung von Prätubulysin auf Endothelzellen gelegt und analysiert, wie die Substanz die Interaktion von Tumorzellen und Endothelzellen beeinflusst. Mithilfe des DFG-Großgeräts konnten wir durch zahlreiche mikroskopische Fluoreszenz- und Durchlichtaufnahmen zeigen, dass Prätubulysin die Adhäsion von Tumorzellen an das Endothel erhöht, die Transmigration durch die Endothelzellschicht jedoch stark erniedrigt. Ausschlaggebend hierfür ist eine Freilegung von interendothelialem Collagen, das zu einem Trapping der Tumorzellen führt. 3) DFG-gefördertes Projekt „Soraphen“: Der myxobakterielle Naturstoff Soraphen A ist ein Inhibitor des Enzyms Acetyl-CoA-Carboxylase (ACC). Die ACC katalysiert den für die Synthese von Fettsäuren ersten und geschwindigkeitsbestimmenden Schritt, nämlich die Umwandlung von Acetyl-CoA zu Malonyl-CoA. Im Rahmen der DFG-Forschergruppe 1406 wurde die Wirkung von Soraphen vor allem in Tumorzellen untersucht. Welchen Einfluss die ACC und ihre Inhibierung durch Soraphen in Endothelzellen hat, war bisher völlig unbekannt. In meiner Arbeitsgruppe wurde analysiert, wie sich Soraphen auf die Zusammensetzung der Membranphospholipide auswirkt und welche funktionelle Konsequenz eine solche Wirkung hat. Die Inhibierung der ACC erniedrigte den Anteil an Phosphatidylglycerol in endothelialen Zellmembranen und verursachte über eine Erhöhung der Steifigkeit der Zellmembran eine verringerte Bewegungsfähigkeit der Endothelzellen. Für die Erfassung der verschiedenen Parameter der endothelialen Migration war das DFG-Forschungsgroßgerät von ausschlaggebender Bedeutung, da es umfangreiche Live-Cell-Imaging-Aufnahmen über lange Zeiträume ermöglichte. Insgesamt konnte somit eine migrationshemmende Wirkung von Soraphen identifiziert und die zugrundeliegenden Mechanismen aufgeklärt werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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The dual edema-preventing mechanism of the Crataegus extract WS 1442 can be assigned to distinct phytochemical fractions. Planta Med. 2017; 83: 701-709
Fuchs S, Bischoff I, Willer EA, Bräutigam J, Bubik MF, Erdelmeier CA, Koch E, Faleschini MT, De Mieri M, Bauhart M, Zahler S, Hensel A, Hamburger M, Potterat O, Fürst R
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The pretubulysin-induced exposure of collagen is caused by endothelial cell retraction that results in an increased adhesion and decreased transmigration of tumor cells. Oncotarget. 2017; 8: 77622-77633
Schwenk R, Stehning T, Bischoff I, Ullrich A, Kazmaier U, Fürst R
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Acetyl-CoA carboxylase 1 regulates endothelial cell migration by shifting the phospholipid composition. J Lipid Res. 2018; 59
Glatzel DK, Koeberle K, Pein H, Loeser K, Stark A, Keksel N, Werz O, Müller R, Bischoff I, Fürst R