Anatomy of an Elite. The Influence of members of the Indian Civil Service on the foreign policy of independent India
Asian Studies
Final Report Abstract
In der Monographie wird erstmals der Einfluss einer Vielzahl von der britischen Kolonialmacht ausgebildeter Spitzenbeamten und -diplomaten auf die auswärtigen Beziehungen Indiens nach der Unabhängigkeit untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass Angehörige des Indian Civil Service der Kolonialzeit ab 1947 über drei Jahrzehnte Schlüsselpositionen im Außenministerium und an den Auslandsmissionen besetzten. Der letzte Foreign Secretary mit einem solchen professionellen Hintergrund ging erst 1977 in den Ruhestand. Ihr Einfluss auf die Entscheidungsfindung in Delhi kann nicht überschätzt werden. Sie beruhte zum einen auf dem Korpsgeist der vormaligen Angehörigen des Elitekaders, die den Kern des neuen Auswärtigen Dienstes bildeten, fast durchweg schon jahrelang vor der Unabhängigkeit zusammengearbeitet hatten und sich selbst für die bei weitem kompetentesten Administratoren und Experten des Landes hielten. Aus diesem Grund fiel es ihnen auch nicht schwer, sich ihre Sonderstellung über den August 1947 hinaus zu sichern. Zum zweiten konnten viele von ihnen auf langjährige praktische Erfahrung auf dem Feld der Außenpolitik verweisen. Das galt insbesondere für diejenigen, die für das Department of Education, Health and Lands gearbeitet hatten, das für die in aller Welt ansässigen Auslandsinder zuständig gewesen war. Die britisch-indische Außenpolitik hinsichtlich der Vertretung der Interessen der Auslandsinder ist bereits in einigen jüngeren Studien aufgegriffen worden. Nirgendwo fand sich jedoch bisher eine grundlegende Untersuchung darüber, in welchem umfassenden Maße indische ICS-Beamte und das Department damit betraut wurden. Damit erschließt die Monographie ein bisher völlig übersehenes Forschungsgebiet: Britisch Indien und das besagte Department betrieben eine Art Parallelaußenpolitik im Sinne der Auslandsinder, die immer wieder mit den Interessen des britisch-indischen Foreign and Political Department sowie insbesondere des Colonial Office in London kollidierte. Ohne dass dies je offen thematisiert wurde, stellte sie die Grundlagen des Empire in Frage. Die Genese dieser Außenpolitik, die Etablierung von Auslandsmissionen, die Herausbildung eines Kaders von Proto- Diplomaten sowie die überragende Rolle von Girja Shankar Bajpai sind erst im Rahmen des Forschungsprojekts erschlossen worden. Dank dieser Einsichten zur Zwischenkriegszeit muss die Außenpolitik der Ära Nehru, anders als bisher, in den Zusammenhang einer indischen Außenpolitik gestellt werden, deren Anfänge 1923 zu verorten sind. Da die Politik der Ära Nehru angesichts des politischen Wandels in Indien stark in die Kritik geraten ist, haben dort schon Zwischenergebnisse des Forschungsprojekts große Aufmerksamkeit erregt. Die Monographie wird auch als ein Beitrag zu der Debatte verstanden, ob das heutige Indien wirklich eine post-koloniale Gesellschaft ist. Das Wirken einflussreicher Beamter und ihrer Denkweisen über die Unabhängigkeit hinaus wird einerseits als Beleg dafür verstanden, dass koloniale Strukturen das Land bis heute bestimmen. Andererseits ließe sich argumentieren, dass der teils subversive Charakter der in der Zwischenkriegszeit betriebenen Außenpolitik als ein Vorgriff auf die Jahre ab 1947 verstanden werden kann, als eine nationale Regierung für die Interessen von Bevölkerungsgruppen im teils weit entfernten Ausland eintrat, deren Wurzeln auf dem Subkontinent zu verorten sind. Auch die Relevanz und der Bekanntheitsgrad von Protagonisten wie Bajpai, K.P.S. Menon oder Subimal Dutt lassen erwarten, dass die Monographie weit über den Kreis der Fachleute hinaus wahrgenommen und diskutiert werden wird.
Publications
-
‘The Indian Civil Service and Indian Foreign Policy’, in: Palat, Madhavan K., India and the World in the First Half of the Twentieth Century, New Delhi: Routledge, 2017, 134-159
Marc Frey