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Sexuelle Orientierung als Modulator von Aggression, Kooperation und Empathie

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 254419391
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Evolutionäre Theorien zur Entstehung und Aufrechterhaltung homosexuellen Verhaltens beim Menschen verbinden Homosexualität mit reduzierter Aggressivität, vermehrter Kooperationsbereitschaft und vermehrter Empathie. Diese Verhaltensweisen sollten insbesondere gegenüber gleichgeschlechtlichen Interaktionspartnern gezeigt werden. Hier wurde eine Serie von Experimenten mit insgesamt 240 Probandinnen und Probanden durchgeführt, welche erstmals zeigen sollten, dass die sexuelle Orientierung beobachtbares Sozialverhalten (aggressives Verhalten, kooperatives Verhalten) und physiologische Korrelate von Empathie (kognitive Empathie: Mu-Suppression, automatische Empathie: Gesichtsmimikry) im Einklang mit den Vorhersagen evolutionärer Theorien beeinflusst. Homosexuelle im Vergleich zu heterosexuellen Individuen zeigen weniger aggressives und stärker kooperatives Verhalten in frustrierenden sozialen Interaktionen, gleichermaßen gegenüber Männern wie Frauen. Reduzierte Aggressivität und vermehrte Kooperation seitens homosexueller Individuen stehen im Einklang mit den genannten evolutionären Theorien. Die vorliegenden Daten erweitern diese Theorien dahingehend, dass nun angenommen werden kann, dass das prosoziale Verhalten nicht nur gegenüber gleichgeschlechtlichen, sondern ebenso gegenüber gegengeschlechtlichen Interaktionspartnern gezeigt wird. Im Einklang mit den hier vorliegenden Befunden reduzierter Aggressivität und vermehrter Kooperation bei homosexuellen Individuen beeinflusst die sexuelle Orientierung bei Männern auch die Gesichtsmimikry: Schwule Männer zeigen beim Betrachten emotionaler Gesichter deutlich stärker ausgeprägte Mimikry als heterosexuelle Männer. Frauen zeigten insgesamt deskriptiv eine stärkere Mimikry als Männer, sodass sich bei Frauen Effekte der sexuellen Orientierung möglicherweise aufgrund von Deckeneffekten nicht zeigen lassen konnten. Bei der Mu-Suppression als neurophysiologisches Korrelat von kognitiver Empathie zeigte sich, dass homosexuelle Individuen auf Darstellungen mit schmerzhaften Situationen mit weniger Mu-Suppression reagieren als heterosexuelle Individuen. Lesbischen Probandinnen und schwule Probanden berichteten auch vergleichsweise weniger Mitgefühl mit den dargestellten Personen. Da homosexuelle Individuen stark zwischen relevanten und irrelevanten Sozialkontakten unterscheiden (verstärkter Ingroup-Bias) ist wahrscheinlich, dass die homosexuellen Probandeninnen und Probanden die relativ anonymen Darstellungen, die im Wesentlichen auf Extremitäten fokussiert sind, als wenig relevant wahrgenommen haben. Dieser Bewertungsprozess dürfte die Mu-Suppression als Korrelat kognitiver Empathie stark beeinflusst haben, sodass die Mu-Suppression kein Korrelat zu den Verhaltensstudien und der automatischen Mimikry darstellt. Die Studien zeigen insgesamt einen starken Einfluss der sexuellen Orientierung auf soziales Verhalten und physiologische Korrelate von Empathie. Homosexuelle Individuen zeigen reduzierte Aggressivität und vermehrte Kooperation in sozialen Konfliktsituationen, sowie verstärkte automatische Mimikry des Gesichtsausdrucks eines Gegenübers. Außerdem scheinen kognitiv-empathische Prozess bei Schwulen und Lesben besonders abhängig von der Relevanz der jeweiligen Situation. Evolutionäre Theorien betonen die Rolle von homosexuellem Verhalten als eine Überlebensstrategie im Gegensatz zu einer reproduktiven Strategie, wobei das Gefüge der sozialen Gruppe gestärkt wird. Die vorliegenden Ergebnisse stehen im Einklang damit, und betonen den positiven Einfluss von Homosexuellen in sozialen Gruppen. Homosexuelle Individuen scheinen durch ihr Verhalten besonders in der Lage, Konflikte innerhalb der sozialen Gruppe zu reduzieren und so die soziale Gruppe zu stabilisieren.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2015). Gay men mimic happy faces more expressively than heterosexual men. 41. Tagung Psychologie und Gehirn 2015. Kongressband (S. 152)
    Kaaz, T., Lübke, K. T. & Pause, B. M.
  • (2016). Homosexual individuals show less aggressive behavior in response to frustration than heterosexual individuals. In I. Fritsche (Hrsg.). 50. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Psychologie. (S. 181). Lengerich: Pabst Science Publishers
    Sachse, C., Hoenen, M., Pause, B. M. & Lübke, K. T.
  • (2017). Sexual orientation and empathy: What mu-suppression does and does not tell. Society for Psychophysiological Research, Fifty-Seventh Annual Meeting, 2017. Psychophysiology, 54, S47
    Lübke, K. T., Sachse, C., Hoenen, M. & Pause, B. M.
 
 

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