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"Sinensis Imperii Libri Classici Sex": ein frühes Meisterwerk der Sinologie als Quelle der deutschen Aufklärung?

Antragsteller Dr. Henrik Jaeger
Fachliche Zuordnung Geschichte der Philosophie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 254950666
 
Der umfangreiche Wissenstransfer von China nach Europa, der die Zeit der großen Begegnung (D. Mungello) zwischen diesen Kulturen charakterisiert und der in Europa zahlreiche Erneuerungen in Technik und ökonomischem Denken zur Folge hatte, erstreckte sich auch auf den Bereich der Philosophie. Obwohl die Rezeption konfuzianischen Denkens schon zu Ende des 16. Jh. begonnen hatte, erlebte sie jedoch durch die Publikation des Werkes Confucius Sinarum Philosophus von Philippe Couplet SJ im Jahr 1687 einen bedeutenden Aufschwung. In dieser ersten (allerdings unvollständigen) Übersetzung wurden erstmals die sogenannten Vier Bücher (Sishu) des neokonfuzianischen Kanons, der seit dem 12. Jh. zur wichtigsten Grundlage der Bildung geworden war, dem gebildeten europäischen Publikum zugänglich. Das Werk selbst und sein beträchtlicher Einfluß auf die Philosophie in Frankreich, England und Deutschland ist schon in mehreren Forschungen detailliert untersucht worden. Weitgehend unerforscht ist jedoch die erste vollständige Übersetzung der Vier Bücher (und zwei weiterer konfuzianischer Schriften) von Francois Noel SJ, die 1711 unter dem Titel Imperii Sinensis Libri Classici sex (abgekürzt: Libri Classici ) erschienen ist. Noel war nicht nur ein herausragender Kenner der konfuzianischen Tradition, sondern ihm wurde auch bescheinigt, die konfuzianische Tradition so umfassend und differenziert interpretiert zu haben, wie kein anderer Europäer. Hiervon zeugt in besonderer Weise Noels systematisches Werk zur chinesischen Philosophie Philosophia Sinica tribus tractatibus, das ebenfalls 1711 erschienen ist. Als Christian Wolff 1712 die Libri Classici für sich entdeckte, begann für ihn eine lebenslange, intensive Lektüre, die im Verlauf seiner Karriere zu dramatischen Ereignissen führen sollte: Als er im Jahr 1721 die Rede über die praktische Philosophie der Chinesen hielt, betonte er mit Nachdruck, daß die zentralen Ideen dieser Rede allein der Noel-Lektüre zu verdanken seien. Diese Rede, die als Startschuß der Aufklärung (Hinske : 1979) bezeichnet wurde, zeugte nicht allein von der großen Bedeutung, die Wolff dem konfuzianischen Denken beimaß, sondern auch von einer schöpferischen Aneignung dieses Denkens, die das gesamte Werk Wolffs durchzieht. Diese Rezeption konfuzianischen Denkens beruhte auf der Überzeugung, daß die chinesische Philosophie für die drängenden geistigen Fragen der europäischen Gegenwart wichtige Antworten zu geben vermag. Das Ziel dieser Projektarbeit besteht somit darin, zu zeigen, in welchem Sinne Noels Übersetzung als eine Quelle der Aufklärung bezeichnet werden kann. Den roten Faden der Arbeit bildet die These, daß es sich bei der Rezeption Noels nicht um eine Modeerscheinung oder ein Liebäugeln mit exotischen Ideenfiguren, sondern um eine genuin philosophische Auseinandersetzung handelt, die der Aufklärung wichtige Impulse zu geben vermochte.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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