Intra- und Intergruppenprozesse im Kontext sozialer Ungleichheit
Final Report Abstract
Die sozioökonomische Ungleichheit steigt in vielen Ländern an. Nationenvergleichende Analysen haben gezeigt, dass eine Vielfalt sozialer Probleme häufiger in einkommensungleichen als in einkommensgleichen Nationen auftreten. Das wissenschaftliche Netzwerk „Intra- und Intergruppenprozesse im Kontext sozialer Ungleichheit“ hat dazu beigetragen, sozialpsychologische Prozesse und deren Randbedingungen zu identifizieren, die an der Aufrechterhaltung und Verstärkung bzw. Veränderung sozialer Ungleichheit beteiligt sind. Insbesondere wurden aus sozialpsychologischer Intra- und Intergruppenperspektive die Reaktionen auf soziale Ungleichheit analysiert, Randbedingungen identifiziert und psychologische Prozessvariablen, die zur Aufrechterhaltung und Veränderung von sozialer Ungleichheit beitragen können, aufgedeckt. Über die Dauer von viereinhalb Jahren fanden sechs Netzwerktreffen statt, wobei drei dieser Treffen durch internationale Gäste bereichert wurden. Diese Treffen ermöglichten den Netzwerkmitgliedern, Frank Asbrock, Julia Becker, Susanne Bruckmüller, Roland Deutsch, Immo Fritsche, Philipp Jugert, Nicole S. Harth, Thomas Kessler, Sarah E. Martiny, Agostino Mazziotta, Gerhard Reese, Jenny Roth, Birte Siem und dem assoziierten Mitglied Markus Barth einen regen Forschungsaustausch über offene Fragestellungen, theoretische Erklärungen und die Diskussion von Vorarbeiten zu Forschungsprojekten. Die Ergebnisse mündeten zum einen in einem Arbeitsmodell, dem „Inequality Cycle Framework (ICF)“, das bestehende Forschung systematisiert und das neue Forschungsprogramm der Netzwerkmitglieder strukturiert. Das ICF unterscheidet unterschiedliche Analyseebenen (gesellschaftlich, sozial-interaktional, individuell), um die Effekte von ökonomischer Ungleichheit auf das Wohlbefinden und das Zusammenleben von Menschen sowie die zugrundeliegenden psychologischen Prozesse zu beleuchten. Als erste Prozessstufe nehmen Menschen ökonomische Ungleichheit und ihre eigene ökonomische Situation subjektiv wahr, wobei es zu Verzerrungen (z.B. Über-/Unterschätzung von Ungleichheit, Fokus auf die Wohlhabenden oder die Armen) kommen kann. Als zweite relevante Stufe folgen kognitiv-affektive Einschätzungen (appraisals) von Ungleichheit (z.B. als persönlich bedrohend, ungerecht). Bewältigungsreaktionen (coping) auf Ungleichheit bilden die dritte Stufe und haben unmittelbare Folgen für persönliches oder kollektives Handeln (z.B. Protest) und soziale Interaktionen (z.B. Kommunikation, Konflikt oder Solidarität zwischen Gruppen). Diese Reaktionen beeinflussen wiederum persönliches Wohlbefinden und gesellschaftliche Kohäsion sowie – indirekt – die gesellschaftliche Ungleichheit oder den persönlichen ökonomischen Status selbst. Auf jeder dieser Stufen finden kognitive (Aufmerksamkeit, Sampling, soziale Vergleiche, Selbstkategorisierung) und motivationale (Streben nach persönlicher Kontrolle und Selbstwert) Prozesse statt, die die Reaktionen auf Ungleichheit beeinflussen. Zum anderen mündeten die theoretischen Überlegungen und empirischen Vorarbeiten in der Beantragung einer DFG-Forschungsgruppe „Die Psychologie der Ungleichheit zwischen sozialen Gruppen: Von der Wahrnehmung zum Handeln (The Psychology of Inequality between Social Groups: From Perception to Action)“, die acht Forschungsprojekte umfasst. Des Weiteren untersucht ein weiteres aus dem Netzwerk heraus entwickeltes Projekt „Chancen und Risiken solidarischer Protestunterstützung durch Verbündete (Benefits and potential backlashes of allies engaging in solidarity-based collective action)”, das seit August 2017 durch die DFG gefördert wird. Nicht zuletzt hat das wissenschaftliche Netzwerk substantiell dazu beigetragen, die Aufmerksamkeit für eine Psychologie der sozialen Ungleichheit innerhalb wie außerhalb der Wissenschaft zu erhöhen und neue Forschung zu initiieren (z.B. im Rahmen einer entsprechenden Hot-Topic-Subkonferenz beim 50. Kongress der DGPs, 2016 in Leipzig und der Tagung der Fachgruppe Sozialpsychologie in Ulm, 2017). Die Vorarbeiten im Rahmen des Netzwerkes mündeten in 16 Publikationen und zahlreichen weiteren Manuskripten. Es ist eine öffentlich wahrgenommene Homepage entstanden (https://www.psychologie.uniwuerzburg.de/inequality/start/). Die beantragte DFG-Forschungsgruppe soll zum Bestehen eines dauerhaften Forschungsnetzwerks und der Entwicklung einer Psychologie der sozialen Ungleichheit beitragen.
Publications
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