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Der Prozess der frühen Nutzenbewertung innovativer Arzneimittel nach Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz: Systematisierung und empirische Analyse der Entscheidungsprozesse

Fachliche Zuordnung Accounting und Finance
Wirtschaftspolitik, Angewandte Volkswirtschaftslehre
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 255711605
 
Erstellungsjahr 2017

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Hintergrund und Fragestellung: In industrialisierten Ländern haben sich Prozesse etabliert, die die Erstattungsfähigkeit neuer Gesundheitstechnologien bewerten. Für die deutsche gesetzliche Krankenversicherung haben sich dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetzes (AMNOG) im Jahr 2011 Rahmenbedingungen für patentgeschützte Arzneimittel stark verändert. Hersteller müssen innerhalb von drei Monaten nach Markteintritt beim entscheidenden Gremium, dem gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA), ein Dossier einreichen, das den medizinischen Nutzen und Zusatznutzen im Vergleich zur Standardtherapie belegt. Das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG) bewertet das Dossier, auf dessen Basis der G-BA eine Entscheidung über den Zusatznutzen trifft. Ziel dieses Projektes war es, anhand der bestehenden Nutzenbewertungen seit Anfang 2011 unter Verwendung von Regressionsverfahren Einflussfaktoren für die Bestimmung des Zusatznutzens sowie der Höhe des zu entrichtenden Rabattes zu identifizieren. Methoden: Zur Untersuchung der Forschungsfragen war die zweifache Erhebung aller Entscheidungen nach AMNOG in Form einer Datenbank zentrales Element des Projektes. Hierzu wurden im Projektverlauf alle seitens des G-BA abgeschlossenen Entscheidungen zwischen Januar 2011 und Dezember 2015 erfasst. Die erhobenen Datenpunkte erfassen zu jedem bewerteten Wirkstoff zudem Daten zu der vom Hersteller eingereichten Evidenz, zur Bewertung des IQWIG, zur Entscheidung des G-BA sowie dessen Bewertung der Evidenz, zu den Preisverhandlungen des GKV-Spitzenverbands sowie Informationen zu Arzneimittelpreisen gemäß Lauer-Taxe. Ergebnisse: Unter Verwendung der entwickelten Datenbank wurden unter Hinzunahme weiterer Datenquellen im Rahmen des Projektes drei Aspekte untersucht: 1. Die Analyse der Effekte der Nutzenbewertung und des Entscheidungsprozesses auf den Preis zeigte (Lauenroth und Stargardt, 2017, Value in Health), dass die Preisaufschläge auf die zweckmäßige Vergleichstherapie - Ergebnis der Preisverhandlungen - die Bewertung des Zusatznutzens durch den G-BA reflektiert. Sprach sich der G-BA für einen Zusatznutzen auf Wirkstoffebene aus, betrug der verhandelte Aufschlag auf die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie im Vergleich zu Medikamenten ohne Zusatznutzen durchschnittlich 227.2%. Die Höhe des Preisaufschlages variierte nach dem vom G-BA festgestellten Ausmaß des Zusatznutzens. 2. Im internationalen Vergleich der AMNOG-Entscheidungen mit denen aus England, Schottland und Australien zeigten sich deutliche Unterschiede in den Entscheidungsergebnissen. Im Vergleich zum englischen National Institute for Care Excellence scheint der G-BA strenger zu entscheiden. 3. Betrachtet man die Auswirkung der Einschätzung über den Zusatznutzen auf die Ausbreitung der Wirkstoffe durch Verordnungsentscheidungen der Ärzte, zeigte sich, dass sich Wirkstoffe mit positiver Nutzenbewertung schneller im Markt ausbreiten als Wirkstoffe, die bei denen kein Zusatznutzen ausgesprochen wurde. Somit wird das Informationssignal der Nutzenbewertung als Referenzpunkt für Qualität gesehen und hat damit auch einen Einfluss auf die Diffusion neuer Wirkstoffe. Schlussfolgerungen: Insgesamt hat das AMNOG nicht nur zu großen systemischen Änderungen bei der Erstattung von Arzneimitteln geführt. Vielmehr zeigt sich, dass hierdurch auch ein Einfluss auf die Marktausbreitung neuer Produkte entsteht. Die Verhandlungsergebnisse, d.h., die verhandelten Preise, folgen in ihrer Abstufung dem Ausmaß des Zusatznutzens. Inwieweit das aus dem Prozess resultierenden Preisniveau und die Unterschiede im Entscheidungsverhalten im Vergleich zu anderen HTA-Institutionen die gesamtgesellschaftlichen Präferenzen widerspiegeln, ist in künftigen Forschungsvorhaben zu untersuchen. Dies gilt ebenfalls für allenfalls in der langen Frist untersuchbaren Einflüsse auf den Zugang zu Arzneimitteln.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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