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Propriozeptives Training für Patienten mit Kleinhirndegeneration.

Fachliche Zuordnung Klinische Neurologie; Neurochirurgie und Neuroradiologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 256047747
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Ataxien sind vorwiegend degenerative Erkrankungen des Kleinhirns, die zu zunehmenden motorischen Einschränkungen führen. Kausale und wirksame medikamentöse Therapien fehlen weitgehend. Physiotherapie steht im Vordergrund der Behandlung. Obwohl das Kleinhirn wesentlich an impliziten Lernvorgängen beteiligt ist, belegen zunehmend Studien, dass Betroffene von regelmäßigen Übungen profitieren. Unklar ist, welche Art der Übung am besten hilft. Es gibt bisher kaum Therapieansätze, die auf der bekannten Physiologie und Pathophysiologie des Kleinhirns beruhen. So erhält das Kleinhirn massive propriozeptive Afferenzen, deren Fehlverarbeitung ein wesentlicher Faktor motorischer Störungen bei Ataxien ist. Im Zentrum der geplanten Proof-of-Principle Studie stand deshalb zu zeigen, dass Patienten von einem reinen propriozeptiven Training, d.h. einem Training ohne visuelles Feedback, profitieren. Wir konnten zeigen, dass Training allein auf der Grundlage des propriozeptiven Feedbacks sowohl zu einer Besserung propriozeptiver Wahrnehmungsschwellen führt, als auch zu einer Besserung der Bewegungsgenauigkeit. Der Lernerfolg war jedoch nicht höher im Vergleich zu Bewegungen, die konventionell, d.h. mit zusätzlich visueller Kontrolle geübt wurden. In zukünftigen Studien muss überprüft warden, ob die Kombination eines propriozeptiven Trainings zusammen mit einem konventionellen Training zu einem besseren Lernerfolg führt, als das konventionelle Training allein. Ein weiteres Ziel der Studie war zu überprüfen, ob zusätzliche explizite Information über die Bewegung den Trainingserfolg unterstützen kann. Hypothese war, dass explizites, strategisches Lernen Defizite des impliziten Lernens bei Patienten mit degenerativen Kleinhirnerkrankungen zumindest zum Teil kompensieren kann. Dafür fanden sich in der vorliegenden Studie keine Hinweise. In der vorliegenden Studie wurden vergleichsweise einfache Eingelenkbewegungen geübt. Es ist möglich und muss in zukünftigen Studien überprüft werden, ob zusätzliche explizite Information von Patienten mit Kleinhirnerkrankungen in komplexeren Mehrgelenksbewegungen genutzt werden kann. Magnetresonanztomographische (MRT) Verfahren wurden genutzt, um trainingsabhängige neuronale Veränderungen nachzuweisen. Da die Lerneffekte zwischen den Trainingsbedingungen nicht unterschiedlich waren, wurden die MRT-Daten bei Kleinhirnpatienten und Kontrollpersonen gepoolt. Die Voxel-basierte Morphometrie (VBM) zeigte ein anderes Muster des trainingsbedingten Anstiegs der grauen Substanz bei Patienten mit Kleinhirndegeneration und den gesunden Kontrollen. Während der Anstieg der grauen Substanz im visuellen Assozationskortex bei Kontrollen am stärksten ausgeprägt war, war er bei Kleinhirnpatienten im prämotorischen Kortex am stärksten ausgeprägt. Bisher sind die kompensatorischen neuronalen Mechanismen bei Patienten mit degenerativen Kleinhirnerkrankungen nur wenig untersucht. Es wird vielfach angenommen, dass subkortikale und kortikale Areale, die weniger von Kleinhirn abhängig sind, eine wichtige Rolle spielen. Dies war jedoch nicht der Fall. Die vorliegenden Ergebnisse zeigen, dass kompensatorische Remodellierungsprozesse bei Kleinhirndegenerationen hauptsächlich in zerebralen Arealen stattfinden, für die enge anatomische und funktionelle Verbindungen mit dem Kleinhirn bekannt sind. Inwieweit der prämotorische Kortex die Kleinhirnfunktion übernehmen kann, und wie dieses Wissen bei der Behandlung von Kleinhirnpatienten genutzt werden kann, sind wichtige Fragen für zukünftige Untersuchungen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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