Magneto-Seebeck Tunneln über eine Vakuum-Barriere
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Ziel dieses Projektes war die Untersuchung des Magneto-Seebeck-Tunnelns über eine Vakuum-Barriere. Hierzu kam ein Rastertunnelmikroskop zum Einsatz, welches unter Ultrahochvakuumbedingungen bei tiefen Temperaturen (50 K) betrieben wurde. Um einen Temperaturunterschied zwischen der Sondenspitze und der zu untersuchenden Probenoberfläche zu realisieren, wurde die Spitze mit einem Laser bei variabler Leistung beschienen und so erwärmt. Technisch und methodisch war dieses Projekt sehr anspruchsvoll, weshalb zunächst das spin-gemittelte Seebeck-Tunneln experimentell umgesetzt wurde. Aufbauend auf den Erkenntnissen wurden anschließend Experimente zum Magneto-Seebeck-Tunneln durchgeführt. Hierzu kam eine Chrom-Spitze als Rastersonde zum Einsatz. Chrom als Spitzenmaterial ist aus mehreren Gründen für spin-polarisierte Rastertunnelexperimente besonders geeignet. Als magnetische Gegenseite des Tunnelkontakts wählten wir das System der kombinierten Eisen-Mono- und Doppellage auf einer reinen W(110)-Oberfläche. Dieses System wurde in der Vergangenheit in zahlreichen Studien bereits intensiv untersucht. Während die atomare Monolage einen ferromagnetischen Grundzustand mit sehr großen Domänen aufweist, bildet die Doppellage eine komplexe Spinstruktur aus: Hier sind ferromagnetische Domänen mit leichter Achse senkrecht zur Oberfläche auf der Nanometer-Skala durch chirale 180°-Domänenwände getrennt. Durch diese Spintextur ist die Doppellage optimal eignet, um erste spin- und ortsauflösende Magneto-Seebeck-Tunnelexperimente durchzuführen. Mittels konventionaler spinaufgelöster Rastertunnelmikroskopie und -spektroskopie wird zunächst ein Ausschnitt der Probenoberfläche bezüglich der Topografie und Spintextur untersucht. Die detaillierte Spinkonfiguration in den magnetischen Domänen und Domänenwänden kann dabei mittels etablierter Methoden ermittelt werden. Für die Magneto-Seebeck-Tunnelexperimente wird in einen Abbildungsmodus gewechselt, bei dem unter kompensierten Bedingungen abgebildet wurde: Während die Spitzenhöhe über der Probenoberfläche über einen Lock-In-Regelkreis für konstante Tunnelleitfähigkeit geregelt wird, passt ein zweiter Regelkreis eine Gleichspannung an der Tunnelbarriere so an, dass über diese kein Netto-Ladungsstrom fließt. Die Aufzeichnung der Kompensationsspannung erlaubt die Bestimmung der Thermospannung zwischen Sondenspitze und Probenoberfläche, während die Sonde über die Oberfläche rastert und so unterschiedliche magnetische Konfigurationen des Tunnelkontaktes durchläuft. Die Erwärmung der Sondenspitze mit variabler Laserleistung (und damit variablem Temperaturunterschied zur Probe) über den magnetischen Domänen der Doppellage resultiert in einer Thermospannung Uth, die linear mit der Temperaturdifferenz deltaT ansteigt, wobei der Seebeck-Koeffizient S, definiert als die Steigung S=dUth/dT, auf Domänen in paralleler bzw. antiparalleler Spin-Konfiguration bzgl. der Sondenmagnetisierung unterschiedlich groß ist. Dieser Befund ist ein eindeutiger Beleg für das Magneto-Seebeck-Tunneln, welches in diesem Experiment erstmals auf atomarer Skala beobachtet wurde. Wie wir bereits in den Vorarbeiten zeigten, war in den Experimenten bereits eine endliche Gleichspannung am Tunnelkontakt detektierbar, ohne dass eine Temperaturdifferenz zwischen Sonde und Probe anliegt. Dies resultiert aus der Tatsache, dass eine Tunnelbarriere mit nichtlinearer I-U Kennlinie als Gleichrichterdiode wirkt. Hierbei wird die Wechselspannung, die für die Messung der Tunnelleitfähigkeit mittels Lock-In-Technik an den Tunnelkontakt angelegt wird, in eine Gleichspannung umgewandelt, die vom Regelkreis durch das Anlegen einer Kompensationsspannung ausgeglichen wird. Da sowohl dieser Gleichrichterwirkung als auch dem Seebeck-Tunneln die Nichtlinearität der Zustandsdichten um das Ferminiveau zugrunde liegt, kann die Gleichrichterspannung als Maß für den Seebeck-Koeffizienten S damit zu dessen Vorhersage dienen, ohne dass eine Temperaturdifferenz am Tunnelkontakt vorliegen muss, wie wir experimentell verifizierten [1]. In unserer Studie wurde dieser Zusammenhang genutzt, um mit dem Rastertunnelmikroskop ein Profil der spinaufgelösten Kompensationsspannung über mehrere magnetische Domänen und Domänenwände hinweg aufzuzeichnen. Die Korrelation der mittels konventionellem spinpolarisierten Tunneln erhaltenen Spinstruktur und der an gleicher Stelle bestimmten Kompensationsspannung erlaubt die Berechnung der jeweiligen Magneto-Seebeck-Koeffizienten auf atomarer Skala. Die Koeffizienten lassen sich dabei beschreiben als additive Kombination aus spingemitteltem Seebeck-Tunneln, Magneto-Seebeck-Tunneln und anisotropem Magneto-Seebeck-Tunneln, wobei letzteres eine Folge der starken Spin-Bahn-Wechselwirkung im Fe/W(110)-System ist. Sie hat Auswirkungen auf die Zustandsdichte am Ferniniveau am Ort der Domänenwände und damit auch auf das thermisch induzierte Tunneln von spinpolarisierten Elektronen. Die Stärke dieser neuartigen Methode zur Bestimmung der Magneto-Seebeck-Tunnelkoeffizienten auf atomarer Skala beweisen wir auf dem System des Nanoskyrmionen-Gitters auf der atomaren Monolage Fe/Ir(111). Dieses Gitter weist eine Periodenlänge von lediglich einem Nanometer auf - die atomaren Spins drehen also innerhalb dieser Länge um 360 Grad. Die Experimente unter kompensierten Bedingungen zeigen, dass selbst auf dieser atomaren Skala eine deutliche Variation des Magneto-Seebeck-Koeffizienten vorliegt. Die in diesem Projekt gewonnenen Erkenntnisse könnten für die Entwicklung zukünftiger Spintronik-Bauelemente eine große Rolle spielen: Prozesswärme, die an definierten Orten in einem Bauteil generiert wird, kann mittels thermischer Leitung gezielt zu Sensorik-Elementen geleitet werden. Dort wird ein so generierter Temperaturunterschied zwischen Sensor und Datenträger genutzt werden, um über den Magneto-Seebeck-Tunneleffekt Spin-Informationen in Spannungssignale umzuwandeln. Diese können dann z.B. zum Auslesen der Daten oder für logische Operationen verarbeitet werden. Ein großer Vorteil dieses Ansatzes ist, dass solch ein Sensorelement keine äußere Versorgungsspannung benötigt und damit tief in integrierte dreidimensionale Schaltkreise eingebettet werden kann
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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Scanning Seebeck tunneling microscopy. J. Phys. D: Appl. Phys. 51, 324001 (2018)
C. Friesen, H. Osterhage, J. Friedlein, A. Schlenhoff, R. Wiesendanger, and S. Krause
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Magneto-Seebeck tunneling on the atomic scale. Science 363, 1065 (2019)
C. Friesen, H. Osterhage, J. Friedlein, A. Schlenhoff, R. Wiesendanger, and S. Krause