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Das Musikerexil in Shanghai 1938-1949
Antragstellerin
Dr. Sophie Fetthauer
Fachliche Zuordnung
Musikwissenschaften
Förderung
Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 258975121
Shanghai bot ab 1938 ca. 18.000 Flüchtlingen aus Deutschland und Österreich Zuflucht vor Verfolgungen des NS-Staats. Für die meisten war die Stadt kein Wunschziel, sie steuerten sie nur darum an, weil es dort zeitweise keine Einreiseformalitäten gab. Unter den Flüchtlingen gab es den bemerkenswert hohen Anteil von mehr als 450 Musikern und Musikerinnen. Viele von ihnen gingen nach Shanghai, weil von jüdischen Hilfsorganisationen die Nachricht verbreitet worden war, ihr Beruf sei in Ostasien und speziell in Shanghai gefragt.Zeitlich begrenzt bis zur Machtübernahme der Kommunisten 1949 war das Shanghaier Exil in politischer, kultureller, sprachlicher und gesundheitlicher Hinsicht ein Sonderfall. Die Stadt mit ihren 3,5 Millionen Einwohnern war überwiegend eine chinesische Stadt, doch waren die exterritorialen Niederlassungen von Franzosen, Briten und US-Amerikanern und die Präsenz weiterer Gruppen von Ausländern prägend, darunter japanische Besatzer, Auslandsdeutsche, sogenannte Weißrussen sowie eine sephardisch-bagdadische und eine aschkenasisch-russische jüdische Gemeinde. Auch waren die Flüchtlinge 1943-1945 mit einer ghettoähnlichen Situation sowie mit Kriegshandlungen konfrontiert.Die meisten Musiker und Musikerinnen erwiesen sich als anpassungsfähig. Zum einen integrierten sie sich in die etablierten Konzert- und Unterhaltungsveranstaltungen, zum anderen bauten sie ein eigenständiges Musikleben auf. Die jüdischen Kantoren pflegten überlieferte Traditionen europäischer Synagogalmusik, während die Unterhaltungsmusiker flexibel auf die Publikumsgeschmäcker reagierten. Für Konzertmusiker waren die Arbeitsmöglichkeiten beschränkt, sie wichen oft in andere Bereiche aus, etwa in die Unterhaltungsmusik oder die Musikpädagogik. Vor allem die Pädagogen waren es, die auch in Kontakt mit der chinesischen Bevölkerung traten und bei ihren Schülern prägende Eindrücke hinterließen.Ziel des Projekts ist es, dem Musikerexil in Shanghai aus der Perspektive der Verflechtungsgeschichte nachzugehen und dabei Prozesse der Identitätswahrung und Abschottung ebenso wie der Anpassung und des Austauschs in den Blick zu nehmen. Die Gliederung der geplanten Monographie orientiert sich an den verschiedenen musikalischen Arbeitsfeldern. Dazu gehören die Synagogalmusik, populäre Musikveranstaltungen, das Konzertwesen, das Musiktheater und die Musikvermittlung, und zwar jeweils mit unterschiedlichen Schwerpunkten auf Institutionen, Personen, Repertoires und Werken. Hinzu kommen Kapitel, die mit dem Beginn, d. h. der Entscheidung für Shanghai, bzw. mit dem Ende des Exils, d. h. der Weiterwanderung und Fragen der Wiedergutmachung für die NS-Opfer nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, korrespondieren.Die Studie basiert auf Primärquellen, d. h. auf Shanghai-bezogenen Dokumentensammlungen, Nachlässen, Entschädigungsakten, Erinnerungsberichten und der Presse. Ergänzt wird dies durch Einzeldokumente, die durch intensive Personenrecherchen zugänglich gemacht werden konnten.
DFG-Verfahren
Sachbeihilfen
