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Neuroplastizität an der Grenze: Plastizitätstransfer zwischen Hand und Gesicht

Fachliche Zuordnung Kognitive, systemische und Verhaltensneurobiologie
Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Förderung Förderung von 2014 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 259116694
 
Erstellungsjahr 2020

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Taktile Sinneseindrücke von benachbarten Hautbereichen werden im Gehirn ebenfalls in benachbarten Gebieten verarbeitet. So entsteht im menschlichen Gehirn eine vollständige Abbildung des menschlichen Körpers, der „Homunkulus“. Eine Ausnahme dieser Regel ist die Grenze zwischen Fingern und Gesicht, die im Homunculus direkt nebeneinander repräsentiert sind, obwohl sie im Körper weit voneinander entfernt liegen. Der vorliegende Forschungsantrag hatte das Ziel zu klären, in wie weit und unter welchen Randbedingungen Lernprozesse – sogenannte „cross-border“ Plastizität – über solche Repräsentationsgrenzen hinweg ausgelöst werden können. Die taktile Wahrnehmungsfähigkeit kann nicht nur längeres Training, sondern auch durch sensorisch Stimulation (repetitive Stimulation – RSS) der betreffenden Hautbereiche nachhaltig verändert werden. Dieses Vorgehen eröffnet die einmalige Möglichkeit, innerhalb von wenigen Stunden plastische Prozesse in ausgewählten Körperteilen auszulösen. Wird RSS auf einem Finger einer Hand kurze Zeit appliziert, verbessert sich nicht nur das Tastvermögen des stimulierten Fingers, sondern auch das der Lippen und der Wange. Entscheidend sind also die Repräsentationsgrenzen im Gehirn, und nicht die des realen Körpers. Umgekehrt führt RSS auf den Lippen zu Veränderungen der Wahrnehmung der Finger. Untersuchungen der neuronalen Veränderungen mittels MEG (Magnetoenzephalographie) und Hochfeld-Magnetresonanz-Bildgebung an einem 7T Scanner zeigten plastische Reorganisation, die auf ein komplexes Interaktionsmuster aus Hemmung und Erregung zwischen den Repräsentationsgebieten der Finger und der Lippen des primären somatosensorischen Kortex (Brodmann Areale 3b und 1) hindeuten. Die Wirksamkeit von „cross-border“ Plastizität eröffnet die Möglichkeit neuer Rehabilitationsansätze. Dabei sollen Patienten mit sensomotorischen Beeinträchtigungen des Mundes und der Lippen mittels RSS behandelt werden, wobei der einfachen Applikation wegen die nicht-betroffenen Finger stimuliert werden sollen, um durch die resultierenden Transferprozesse positive Veränderungen im Bereich der Lippenrepräsentationen auszulösen. Entsprechende Patente sind beantragt. Die zentralen Ergebnisse der im Rahmen des Antrags publizierten Studien wurden auf der Homepage der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum ausführlich dargestellt und in zahlreichen Publikationsmedien verbreitet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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