Neuroplastizität an der Grenze: Plastizitätstransfer zwischen Hand und Gesicht
Kognitive und systemische Humanneurowissenschaften
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Taktile Sinneseindrücke von benachbarten Hautbereichen werden im Gehirn ebenfalls in benachbarten Gebieten verarbeitet. So entsteht im menschlichen Gehirn eine vollständige Abbildung des menschlichen Körpers, der „Homunkulus“. Eine Ausnahme dieser Regel ist die Grenze zwischen Fingern und Gesicht, die im Homunculus direkt nebeneinander repräsentiert sind, obwohl sie im Körper weit voneinander entfernt liegen. Der vorliegende Forschungsantrag hatte das Ziel zu klären, in wie weit und unter welchen Randbedingungen Lernprozesse – sogenannte „cross-border“ Plastizität – über solche Repräsentationsgrenzen hinweg ausgelöst werden können. Die taktile Wahrnehmungsfähigkeit kann nicht nur längeres Training, sondern auch durch sensorisch Stimulation (repetitive Stimulation – RSS) der betreffenden Hautbereiche nachhaltig verändert werden. Dieses Vorgehen eröffnet die einmalige Möglichkeit, innerhalb von wenigen Stunden plastische Prozesse in ausgewählten Körperteilen auszulösen. Wird RSS auf einem Finger einer Hand kurze Zeit appliziert, verbessert sich nicht nur das Tastvermögen des stimulierten Fingers, sondern auch das der Lippen und der Wange. Entscheidend sind also die Repräsentationsgrenzen im Gehirn, und nicht die des realen Körpers. Umgekehrt führt RSS auf den Lippen zu Veränderungen der Wahrnehmung der Finger. Untersuchungen der neuronalen Veränderungen mittels MEG (Magnetoenzephalographie) und Hochfeld-Magnetresonanz-Bildgebung an einem 7T Scanner zeigten plastische Reorganisation, die auf ein komplexes Interaktionsmuster aus Hemmung und Erregung zwischen den Repräsentationsgebieten der Finger und der Lippen des primären somatosensorischen Kortex (Brodmann Areale 3b und 1) hindeuten. Die Wirksamkeit von „cross-border“ Plastizität eröffnet die Möglichkeit neuer Rehabilitationsansätze. Dabei sollen Patienten mit sensomotorischen Beeinträchtigungen des Mundes und der Lippen mittels RSS behandelt werden, wobei der einfachen Applikation wegen die nicht-betroffenen Finger stimuliert werden sollen, um durch die resultierenden Transferprozesse positive Veränderungen im Bereich der Lippenrepräsentationen auszulösen. Entsprechende Patente sind beantragt. Die zentralen Ergebnisse der im Rahmen des Antrags publizierten Studien wurden auf der Homepage der Pressestelle der Ruhr-Universität Bochum ausführlich dargestellt und in zahlreichen Publikationsmedien verbreitet.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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(2014) Touch improvement at the hand transfers to the face. Current Biol 24: R736-737
Muret D, Dinse HR, Macchione S, Urquizar C, Farnè A, Reilly K
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(2015) Evoking plasticity through sensory stimulation: Implications for learning and rehabilitation. e-Neuroforum
Dinse HR, Tegenthoff M
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(2015) Transfer of an adaptive cortical plasticity from the finger to the face within SI: a 7T fMRI study". Organization for Human Brain Mapping meeting, Honolulu, Hawaï, USA
Muret D, Martuzzi R, Dinse HR, Reilly KT, Farnè A, Blanke O
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(2016) Improving touch perception at the index finger also modifies its motor control". International conference INS HEA Sensory issues and Disability, “Touch to learn, touch to communicate”, Paris, France
Muret D, Sillan O, Dinse HR, Farnè A, Karen KT
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(2016) Neuromagnetic correlates of adaptive plasticity across the hand-face border in human primary somatosensory cortex. J Neurophysiol 115: 2095-2104
Muret D, Daligault S, Dinse HR, Delpuech C, Mattout J, Reilly KT, Farnè A
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(2018) RSS-induced tactile improvement transfers from one hand to the other one. Hand, Brain and Technology Conference, Ascona (Switzerland)
Macchione S, Muret D, Dinse HR, Koun E, Reilly KT, Farnè A
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(2018) Tactile learning transfer from the hand to the face but not to the forearm implies a special hand-face relationship. Sci Rep 8: 11752
Muret D, Dinse HR
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(2019) Perceptual Learning: Sharing and keeping learned improvements within a category. Curr Biol 29: R280-R282
Dinse HR
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(2019) Repetitive sensory stimulation – A canonical approach to control the induction of human learning at a behavioural and neural level. In D Manahan- Vaughan (Ed.), Handbook of in Vivo Neural Plasticity Techniques, Volume 28. A Systems Neuroscience Approach to the Neural Basis of Memory and Cognition (pp. 389-413). Cambridge: Academic Press
Dinse HR, Tegenthoff M
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Chapter 7: Neuroplasticity in Humans. In M. Zeise (Ed.) Neuroscience for Psychologists: An Introduction. Cham: Springer
Dinse HR