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Die Rezeption von Fénelons "Télémaque" in Zürich und Wien zwischen 1740 und 1806

Fachliche Zuordnung Germanistische Literatur- und Kulturwissenschaften (Neuere deutsche Literatur)
Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft; Kulturwissenschaft
Förderung Förderung von 2014 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 259167713
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

1699 erstpubliziert, sind Fénelons zur Erziehung des französischen Thronfolgers gedachten "Avantures de Télémaque" „the most read literary work in the Age of Enlightenment“ (Patrick Riley). Meine Habilitation fragt, ob diese Feststellung für den deutschsprachigen Raum im Zeitalter der Aufklärung (1700-1806) tatsächlich zutrifft. Nachdem ich durch Zuerkennung einer Reihe von Einzelstipendien in den Jahren zwischen 2008 und 2014 die Rezeption im Alten Reich aufarbeiten konnte, stand die Aufarbeitung der Rezeption im Habsburgerreich und in der Eidgenossenschaft noch aus. Der Wiener und der Zürcher Rezeptionsstrang stellen eine je eigenständige Aneignung des Télémaque – einmal für die Prinzenerziehung, einmal für die gelehrte Selbstverständigung – dar. Der Télémaque wird im Habsburgerreich zeitlich verzögert rezipiert, da die theologische Rezeption des Erzbischofs Fénelon die Rezeption seines Werkes vorwegnimmt. Im Zuge einer jansenistischen Neuausrichtung am Wiener Hof wird der Télémaque ab 1740 verstärkt zur Prinzenerziehung herangezogen (etwa in Form von einer allegorischen Präsentation), zugleich aber nach aktuelleren Vermittlungsmodellen gesucht, etwa in Gestalt der Wiener Reformopern Christoph Willibald Glucks oder der Trauerspiele im Gefolge der Gottschedischen Theaterreform. Die Wiener Télémaque-Rezeption zwischen 1740 und 1806 greift auf neuere Geschichtsmodelle zurück, überführt die Repräsentationsoper in die psychologische Innenperspektive und eröffnet am Ende des Jahrhunderts einen Streit zwischen der Wiener Volksoper und der Weimarer Hofoper, in deren Zentrum die strittige Frage nach der klassizistischen Aneigung des Télémaque steht. Flankiert werden diese eher fortschrittlichen Rezeptionsformen von den Ordensdramen im Habsburgerreich und der jansenistischen Pädagogik. In Zürich hingegen wird Gottscheds enthusiastische Télémaque-Rezeption um 1740 als ungeeignete Überformung des frühneuzeitlichen Epenkonzept abgelehnt und stattdessen auf die deutschsprachigen mittelalterlichen Heldenepen verwiesen sowie das heidnische Figurenpersonal Fénelons kritisiert. Mit der Publikation von Klopstocks Messias (der selbst in Teilen auf den Télémaque rekurriert) ist der Literaturstreit zugunsten der Zürcher entschieden, auch wenn Gottscheds Partei verschiedene (Teil-)Übersetzungen von Fénelons Télémaque vorlegt, um ihn als deutsches Heldenepos vereinnahmen zu können. Während also meine ursprüngliche Fragestellung darauf abzielte, den Télémaque als Wegmarke der Moderne zur analysieren, tendiere ich aufgrund der durch den Aufenthalt in Wien und Zürich erarbeiteten Forschungsergebnisse inzwischen dazu, den Télémaque als Fortschreibung frühneuzeitlicher Tendenzen (literarischer und politischer Art) zu lesen – oder einfacher ausgedrückt: was die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts im deutschsprachigen Raum am Télémaque interessierte, war weniger sein fortschrittliches Potential, als vielmehr seine frühneuzeitliche Verwurzelung. Doch gerade eine solche Rezeption erlaubt die genauere Selbstverortung der Zeitgenossen mit Blick auf die Moderne-Fragestellung.

 
 

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