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Übergangsstrategien in der Demobilisierung bewaffneter Gruppen

Fachliche Zuordnung Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 260972996
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Das Projekt widmete sich der Frage nach der Rolle der Sozialstruktur bewaffneter Gruppen im Übergang in den Frieden. Es fragte dabei konkret, welchen Einfluss der Habitus und die jeweiligen ökonomischen, kulturellen, sozialen und symbolischen Ressourcen von Kommandeuren und Soldaten auf den Verlauf ihrer Reintegration und die Anwendung von Übergangsstrategien haben, um sich einen Platz in einer Nachkriegsgesellschaft zu sichern. Das Projekt erarbeitete hierzu mittels einer habitushermeneutischen Analyse die Sozialstruktur dreier kambodschanischer Guerillagruppen, die im Bürgerkrieg von 1979 bis 1999 aktiv waren. Die bewaffneten Gruppen rekrutierten sich dabei aus verschiedenen Habitusgruppen, die je nach der Klassifikation ihrer Ressourcen unterschiedliche Positionen in der Hierarchie der drei Organisationen einnahmen. Es wurde deutlich, dass diese Gruppen je nach ihrem Habitus und ihren verfügbaren Ressourcen unterschiedlich gut für einen Übergang in den Frieden gewappnet waren. Das Projekt zeigt darüber hinaus, dass vor allem Gruppen, die über Ressourcen verfügten, die eine geringe Feldbindung haben, also nicht erst im und aufgrund des Krieges selbst erworben wurden, sich leichter an einen Friedenskontext anpassen konnten. Für jede Gruppe wurden ihnen eigene Pfadabhängigkeiten aufgezeigt, die sich aus ihrer sozialen Position, ihren Ressourcen und ihrem Habitus ergeben und zu einer Reproduktion sozialer Hierarchien und Teilungen im Übergang in den Frieden führten. Zentral für das Verständnis, warum manche Akteure Widerstand gegen den Friedensprozess leisten, war dabei das Ineinandergreifen verschiedener sozialer Mechanismen. Zum einen zeigte sich die Rolle symbolischer Gewalt – also der Naturalisierung der sozialen Ordnung und der eigenen Position in ihr – als gewichtiger Faktor dafür, warum manche Akteure keinen Widerstand leisten, sondern ihre Rolle und die ihnen zustehenden Pfade im Übergang als „normal“ akzeptieren. Zum anderen zeigte sich, dass in Fällen, in denen es zum Bruch mit der von den Akteuren als ihrem als natürlichen sozialen Ort wahrgenommenen Position kam, in ihnen der Wunsch nach einer Wiederkehr des (oder eines anderen) Krieges aufkam. Das Projekt baut hier auf dem Konzept der relativen Deprivation von Ted Gurr auf, überträgt es auf den Nachkriegskontext und verfeinert es, indem es zeigt, dass zuvorderst der Verlust der für die Habitusgruppe zentralen symbolischen Ressource als Hauptfaktor für den Wunsch einer Rückkehr des Krieges fungiert. Die Neubewertung von Akteuren und ihren Ressourcen im Übergang führt zudem dazu, dass insbesondere jene, deren Habitus auf einer Gesellschaft im Krieg fußt, auch auf symbolischer Ebene eine „Konversion“ vollziehen müssen, um ein „problematisches Selbst“ (etwa das eines ehemals geachteten, aber brutal-skrupellosen Kommandeurs) in ein neues („friedfertiges“) Selbst zu überführen. So wählten viele der Akteure mit einem „problematischen Selbst“ (nicht zuletzt die Roten Khmer) beispielsweise den Weg einer religiösen Transformation und konvertierten zum Christentum.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2018) The social structure of armed groups. Reproduction and change during and after conflict. Small Wars & Insurgencies 29 (4) 607–628
    Bultmann, Daniel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/09592318.2018.1488402)
  • (2018) The social structure of armed groups. Reproduction and change during and after conflict. Small Wars & Insurgencies 29 (4) 607–628
    Bultmann, Daniel (ed.)
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/09592318.2018.1488402)
  • (2017): Kambodscha unter den Roten Khmer. Die Erschaffung des perfekten Sozialisten, Paderborn: Schöningh
    Bultmann, Daniel
  • (2018): Insurgent Groups During Post-Conflict Transformation: The Case of Military Strongmen in Cambodia, Civil Wars, Vol. 20 (1), S. 24-44
    Bultmann, Daniel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1080/13698249.2018.1446113)
  • (2018): The Normality of Going to War: Aspects of Symbolic Violence in Participation and Perpetration in Civil Wars, in: Susanne Buckley-Zistel und Timothy Williams (Hrsg.): Perpetrators. Dynamics, motivations and concepts for participating in mass violence, Abingdon: Routledge, S. 99-116
    Bultmann, Daniel
    (Siehe online unter https://doi.org/10.4324/9781351175869-6)
  • The social order of postconflict transformation in Cambodia: insurgent pathways to peace, Lanham: Lexington Books 2019. xx, 161 S.
    Bultmann, Daniel
 
 

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