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Die Bedeutung tonischer Inhibition auf motoneuronale Aktivität im Rückenmark

Antragsteller Professor Dr. Bernd Antkowiak, seit 3/2016
Fachliche Zuordnung Anästhesiologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261249808
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Fragestellung. Zu Projektbeginn war wenig darüber bekannt, in welchem Umfang die Aktionspotential-Aktivität spinaler Inter- und Motoneurone durch eine tonische Inhibition kontrolliert wird, an der extrasynaptische Glycin- und GABAA-Rezeptoren beteiligt sind. Untersuchungen an organotypischen Gewebekulturen sollten die Frage beantworten, inwieweit sich diese Rezeptoren als molekulare Zielstrukturen für gezielte pharmakologische Interventionen eignen, um eine muskelrelaxierende Wirkung zu erzielen. Methodik. Im Rahmen des Projektes wurden Whole-Cell Voltage-Clamp Ableitungen an spinalen Interneuronen durchgeführt, um die auf diese Neurone einwirkende tonische wie auch die phasische glycinerge und GABAerge Inhibition quantitativ zu erfassen. Mittels extrazellulärer Ableitungen wurden die Auswirkungen pharmakologisch induzierter Veränderungen der tonischen Inhibition auf die Feuermuster spinaler Interneurone erfasst. Zur Quantifizierung der Aktivität spinaler Motoneurone wurden die von diesen Zellen ausgelösten Kontraktionen postsynaptischer Muskelfasern videomikroskopisch vermessen. Ergebnisse. Die selektive Blockade des glialen Glycin-Transporters 1 bewirkte eine signifikante Steigerung einer tonischen Inhibition, die durch Strychnin-sensitive Glycin-Rezeptoren vermittelt wurde. Die synaptische glycinerge Transmission wurde durch diese Intervention nicht beeinträchtigt. Auf der zellulären Ebene resultierte eine mehr als halbmaximale Unterdrückung der Aktivität spinaler Motoneurone und Interneurone. Die selektive Blockade des neuronalen Glycin-Transporters 2 bewirkte ebenfalls eine signifikante Erhöhung des durch Strychnin-sensitive Glycin-Rezeptoren induzierten tonischen Stroms. Durch diese Intervention wurde zudem die synaptische glycinerge Transmission modifiert, ohne das hieraus eine Netto-Steigerung resultierte. Die Verstärkung der GABAA-Rezeptor-abhängigen tonischen Inhibition durch das Neurosteroid Allopregnanolone und einen selektiven Blocker des GABA-Transporters 1 (NO711) verursachte eine signifikante Abnahme der Feuerraten spinaler Interneurone. Ebenso wurde die Aktivität der spinalen Motoneurone und hierdurch die Frequenz der Kontraktionen von Muskelfasern reduziert. Im klinisch relevanten Konzentrationsbereich (~ 1 µM) steigerte Propofol die durch synaptische GABA A-Rezeptoren vermittelte phasische, nicht jedoch die tonische Inhibition der spinalen Interneurone. Dies bewirkte sowohl eine Abnahme der Aktionspotential-Aktivität der Interneurone wie auch eine Reduzierung der motoneuronal induzierten Muskelaktivität. Durch eine Erhöhung der Konzentration von Propofol von 1 auf 5 µM wurde ein tonischer GABAerger Strom induziert, welcher der Wirkung von 100 nM Allopregnanolone äquivalent war. Hinsichtlich der Hemmung der Aktionspotential-Aktivität der Interwie auch der Motoneurone bewirkte die kombinierte Verabreichung äquipotenter Konzentrationen von Allopregnanolone (100 nM) und Propofol (1 µM) eine Verdopplung der Einzeleffekte. Dies lässt auf eine additive Interaktion von Wirkungen schließen, die über synaptische und extrasynaptische Rezeptoren vermittelt wurden. Schlussfolgerungen. Strychnin-sensitive Glycin- und GABAA-Rezeptoren sind im Rückenmark sowohl an der phasischen wie auch einer tonischen Form der Inhibition beteiligt. Die glycinerge und GABAerge tonische Inhibition hat einen signifikanten Einfluss auf die Aktivität spinaler Motoneurone und Interneurone und kann durch Wirkstoffe gezielt moduliert werden, die vorzugsweise an extrasynaptische GABAA-Rezeptoren binden oder die Wiederaufnahme der Neurotransmitter GABA und Glycin vermindern. Unsere Ergebnisse legen zudem den Schluss nahe, dass die tonische und die phasische Inhibition pharmakologisch weitgehend unabhängig voneinander beeinflusst werden können. Hieraus eröffnet sich die prinzipielle Möglichkeit, neuartige Therapiekonzepte für die klinische Anästhesiologie zu entwickeln, die auf eine gleichzeitige Verstärkung der phasischen und tonischen Inhibition spinaler Neurone abzielen. Deren Nutzen könnte in einer weitgehenderen Unterdrückung der intraoperativen Schmerzreizverarbeitung und in einer verbesserten intraoperativen Immobilisierung der Patienten liegen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Propofol modulates phasic and tonic GABAergic currents in spinal ventral horn interneurones. British Journal of Anaesthesia, 2015, 114, pp 491-498
    Eckle VS, Rudolph U, Antkowiak B, Grasshoff, C
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1093/bja/aeu269)
 
 

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