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Vertikale und laterale Aspekte der chinesischen Dialektgeschichte
Antragsteller
Professor Dr. Johann-Mattis List
Fachliche Zuordnung
Angewandte Sprachwissenschaften, Computerlinguistik
Asienbezogene Wissenschaften
Bioinformatik und Theoretische Biologie
Asienbezogene Wissenschaften
Bioinformatik und Theoretische Biologie
Förderung
Förderung von 2014 bis 2016
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 261553824
Trotz einer langen Forschungstradition wissen wir nach wie vor nur wenig über den Ursprung und die Entwicklung der chinesischen Dialekte. Der Grund dafür ist die spezifische soziolinguistische Situation in China, wo sich zahlreiche, wechselseitig oftmals nicht verständliche Sprachvarietäten seit über zweitausend Jahren unter dem Dach einer gemeinsamen Kultur und einer gemeinsamen Schrift entwickelt haben. Unter dem Einfluss zentripetaler Kräfte, hervorgerufen durch variierende Prestigesprachen, zentrifugaler Kräfte als Folge geographischer Distanz und unterschiedlichster Migrationsbewegungen ist eine Sprachfamilie entstanden, deren heutige Vertreter sich linguistisch nicht stärker als die romanischen Sprachen voneinander unterscheiden, deren Geschichte jedoch so verzweigt und komplex ist, dass es unmöglich scheint, sie mit Hilfe des klassischer Sprachstammbäume zu beschreiben. Dies spiegelt sich auch in der traditionellen chinesischen Dialektologie wider, die sich bisher weitestgehend darauf beschränkt hat, die chinesischen Dialekte in statische Gruppen einzuteilen, ohne jedoch zu versuchen, Hypothesen zu entwickeln, wie genau diese Gruppen entstanden sind. Eines der größten Probleme stellt in diesem Zusammenhang die Unterscheidung ererbter (vertikaler) und entlehnter (lateraler) Merkmale dar, welche durch den umfangreichen Sprachkontakt in China ungemein erschwert wird. Im Zuge der quantitativen Wende in der historischen Linguistik wurden viele Methoden aus der Bioinformatik auf linguistische Fragestellungen angewandt. Die meisten neuen Methoden beschränken sich dabei auf die Rekonstruktion von Sprachstammbäumen und vergleichen sprachliche Evolution implizit mit der weitestgehend baumartig verlaufenden Evolution von Tieren und Pflanzen. Neuere Arbeiten haben jedoch gezeigt, dass es sinnvoller sein kann, auf biologische Netzwerkansätze zurückzugreifen, die entwickelt wurden, um bakterielle Evolution zu untersuchen. Da lateraler Gentransfer in der bakteriellen Evolution eine ähnlich tragende Rolle spielt wie Entlehnung in der Sprachentwicklung, bieten biologische Netzwerkansätze sowohl formale Mittel, um vertikale und laterale Aspekte von Sprachgeschichte zu modellieren, als auch verschiedene Methoden, um sie voneinander zu unterscheiden. Im Rahmen dieses Forschungsprojektes sollen diese Netzwerkmethoden im Rahmen einer interdisziplinären Kooperation mit Evolutionsbiologen und Sinologen aus Paris verwendet werden, um vertikale und laterale Aspekte der chinesischen Dialektgeschichte genauer zu erforschen. Dabei sollen die bestehenden Methoden weiter verfeinert, an linguistische Bedürfnisse angepasst und an einer großen lexikalischen Datenbank der chinesischen Dialekte getestet werden, die eigens für diesen Zweck erstellt werden soll. Auf diese Weise soll ein Beitrag zur chinesischen Dialektklassifikation im Speziellen und zur quantitativen Modellierung von Sprachgeschichte im Allgemeinen gemacht werden.
DFG-Verfahren
Forschungsstipendien
Internationaler Bezug
Frankreich
Gastgeber
Dr. Eric Bapteste; Dr. Philippe Lopez; Dr. Laurent Sagart