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Skythische Großkurgane und ihre Peripherie im nördlichen Vorkaukasus: Kurgan Sengileevskoe-2

Fachliche Zuordnung Ur- und Frühgeschichte (weltweit)
Förderung Förderung von 2014 bis 2016
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262000317
 
Erstellungsjahr 2016

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die Steppenregion des nördlichen, zentralen Vorkaukasus, die im heutigen Gebiet Stavropol/Russland liegt, umfasst Tausende von Grabhügeln (Kurganen) der älteren Eisenzeit, die von Trägern des skythischen Kulturkreises errichtet wurden. Über hundert solcher Kurgane können dank ihrer Ausmaße als Großkurgane der reiternomadischen Eliten bezeichnet werden. Nur einige wenige dieses Gebietes wurden bislang archäologisch untersucht. Dabei handelt es sich fast ausnahmslos um die Kurgane der älteren sog. „archaischen Periode", die man in das 7.-6. Jh. v. Chr. datiert. Diese Zeit ist auch aus schriftlichen Überlieferungen bekannt. Es wurde berichtet, dass der nördliche Vorkaukasus eine wichtige Rolle als Ausgangspunkt in der „heroischen Geschichte" der Skythen spielte, als reiternomadische Verbände im 7. Jh. v. Chr. Kriegszüge nach Vorderasien unternahmen (Herodot 1, 103-106). Demzufolge muss der nördliche Vorkaukasus in der älteren Eisenzeit von herausragender strategischer Bedeutung gewesen sein. Was sich nach der Rückkehr der Skythen aus Vorderasien dort abspielte, ist völlig unbekannt. Dabei handelt es sich um die „klassische skythische Periode“, die man in das 5.-4. Jh. v. Chr. datiert. In dieser Zeit entsteht eine ganze Reihe von prominenten skythischen Kurganen am unteren Dnepr in der Ukraine (Tolstaja Mogila, Öertomiyk oder Solocha) und im Kuban-Gebiet im nördlichen Westkaukasus (Uljap oder Tenginskaja), doch aus dem Gebiet Stavropol war bislang nur ein einziger 1899-1901 untersuchter Kurgan bekannt. Die interdisziplinäre Erforschung des Großkurgans 1 vom Gräberfeld Sengileevskoe-2 mit der Anwendung von Archäologie, der Geophysik, Anthropologie, Archäozoologie und Archäobotanik brachte absolut neue und unerwartete Ergebnisse. Die Untersuchung und historische Rekonstruktion der Befunde und Funde zeigte überzeugend, dass der Kurgan in einer ersten Etappe bereits in der „archaischen Periode“ (7.-6. Jh. v. Chr.) entstand und als Kultplatz genutzt wurde. Die errichteten Anlagen in Form von drei und später vier Kreisgräben finden keine Parallelen im Verbreitungskreis der skythischen Kultur und bleiben vorerst singulär. Entgegen der bislang verbreiteten Annahme, dass das Gebiet Stavropol im Nordkaukasus während der „klassischen Periode“ des 5.-4. Jh. v. Chr. nicht von Skythen bewohnt wurde, beweisen die Funde und Befunde des Kurgans und insbesondere die Goldfunde aus Grab 2 das Gegenteil und korrigieren unser Bild von der älteren Eisenzeit in diesem Teil des Nordkaukasus damit erheblich. Die zweite Etappe des Kurgans war gewiss mit Trägern skythischer Sachkultur verbunden und datiert in das 4. Jh. v. Chr. Die Reiternomaden, die in der "klassischen Periode“ die Stavropol-Anhöhe besiedelten, waren dabei keine Zuwanderer, sondern die kulturellen Nachkommen ihrer Vorgänger. Davon zeugen sowohl die Bauweise des Kurgans als Aufschüttung, die seit der „archaischen Periode“ hier bekannt ist, als auch die „archaische“ Form des äußeren Kreisgrabens 5. Hier leben in der Kurganbauweise also eindeutig ältere Traditionen weiter, die im westlich benachbarten skythischen Kerngebiet der nordpontischen Steppen im 5.-4. Jh. V. Chr. nicht mehr vorzufinden sind. Dies lässt auch im zentralen Nordkaukasus eine kontinuierliche und ununterbrochene Entwicklung skythischer Kulturverhältnisse vom 7.-4. Jh. v. Chr. beobachten. Ältere gegenteilige Meinungen reflektieren nur einen äußerst unausgeglichenen Forschungsstand, nicht jedoch die historische Realität. Einen ersten Bericht für ein breiteres Publikum verfasste A. Curry für die Märzausgabe 28/2015 von National Geographie („Warum die Skythen heulten" von Andrew Curry).

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Central Asia Before the Silk Road. In: C. Renfrew/P. Bahn (Hrsg.), The Cambridge World Prehistory. Volume 3: West and Central Asia and Europe (Cambridge Mass. 2014) 1617- 1637
    H. Parzinger
  • Die Erforschung der Peripherie der ältereisenzeitlichen Großkurgane im Nordkaukasus mit Anwendung der Magnetometrie. In: D.S. Korobov (Hrsg.), E.l. Krupnov und die Entwicklung der Archäologie des Nordkaukasus. XXVIII. Krupnovs Lesungen. Materialien der internationalen wissenschaftlichen Konferenz. Moskau, 21.- 25. April 2014 (Moskau 2014) 139-142 [in russ. Sprache]
    A. Gass/J. Fassbinder/A. Belinskij/H. Parzinger
  • Die Untersuchungen der ältereisenzeitlichen Großkurgane des Nordkaukasus und deren Peripherie mit Anwendung der Magnetometrie. In: A.P. Derevjanko/N.A. Makarov/A.G. Sitdikov (Hrsg.), Tagungsbänder des IV. (XX.) Allrussischen Archäologiekongresses in Kazan 2014. Bd. 2 (Kazan 2014) 83-87 [in russ. Sprache]
    A.B. Bellnskij/H. Parzinger/A. Gass/J. Fassbinder
 
 

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