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Humanitäre Interventionen und sozialstruktureller Wandel in der internationalen Politik
Antragsteller
Max-Otto Baumann
Fachliche Zuordnung
Politikwissenschaft
Förderung
Förderung von 2014 bis 2015
Projektkennung
Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262022564
Die vorliegende Arbeit untersucht empirisch die Entstehung einer humanitären Interventionsnorm, wie sie mittlerweile unter dem Begriff 'Schutzverantwortung' oder engl. 'Responsibility to Protect' bekannt ist. Sowohl empirisch als auch konzeptionell betritt die Arbeit neues Gebiet und möchte insbesondere drei Forschungslücken schließen. Erstens untersucht die Arbeit erstmals in einem Längsschnitt die Entwicklung einer Interventionsnorm seit 1990. Dazu werden fünf große Interventionsfälle unter dem Aspekt der internationalen Diplomatie untersucht. Zweitens werden erstmals die Entwicklungsländer maßgeblich berücksichtigt. Sie lehnen traditionell Interventionen als Verletzung staatlicher Souveränität ab, jedoch lässt sich eine Universalisierung der Norm nur erreichen, wenn auch die Entwicklungsländer sie mehrheitlich als legitim anerkennen.Drittens schlägt die Arbeit ein neuartiges Konzept der Normen- und Sozialisationstheorie vor. Klassische Ansätze gehen von einer Lehrer-Schüler-Beziehung aus: Der Westen 'unterrichtet' Normen, Entwicklungsländer nehmen sie als passive Normempfänger an. Mein Ansatz greift dagegen die im Fach Internationale Beziehungen noch wenig rezipierte Sozialtheorie von George H. Mead und den Amerikanischen Pragmatismus auf, um die Entstehung der Norm als einen Aushandlungsprozess zwischen den Staaten zu erklären. Dabei ist die Annahme, dass nur wenn sich eine Art Kultur der Freundschaft und Kooperation in der Nord-Süd-Beziehung entwickelt, humanitäre Interventionen von den Entwicklungsländern geduldet oder sogar unterstützt werden.Die praktische Relevanz dieses Ansatz liegt darin, dass eine Interventionsnorm nicht nur an den Entwicklungsländern und ihren - angeblich fragwürdigen - humanitären Überzeugungen scheitern kann, sondern auch am Verhalten der westlichen Staaten selbst: Wenn diese die angestrebte Kultur der Freundschaft verletzten, etwa durch unilaterale Politik, dürften die Entwicklungsländer mit Widerspruch reagieren.Dieser Zusammenhang konnte empirisch sehr gut nachgewiesen werden. In Fällen, in denen der Westen sich als unilateraler 'Exekutor der Menschenrechte' verhielt wie in der Kosovo- Intervention der NATO 1999 oder der ersten Phase der Darfur-Krise (2004-06), nahmen die Entwicklungsländer erwartungsgemäß Oppositionsrollen ein. Handelte der Westen dagegen in der Rolle eines 'Primus inter pares' oder eines 'Katalysators' für die internationale Kooperation und lud damit die Entwicklungsländer zur Mitwirkung und Mitverantwortung ein, nahmen diese die Rolle auch an. Dies war der Fall in der Somalia-Intervention 1992/93, als die USA eigene Truppen unter VN-Kommando stellte, im Bosnien-Konflikt, wo die NATO 1995 unter einem gemeinsamen Kommando mit den Vereinten Nationen intervenierte, und in der Darfur-Krise ab 2006, nachdem die USA von einer unilateralen zu einer multilateralen Herangehensweise wechselten, was China und die arabischen Staaten dazu bewegte, sich konstruktiv an der Konfliktlösung zu beteiligen.
DFG-Verfahren
Publikationsbeihilfen
