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Verbale, handlungsbezogene und okulomotorische Aspekte stereoskopischer Entfernungswahrnehmung

Fachliche Zuordnung Allgemeine, Kognitive und Mathematische Psychologie
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262068272
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Durch den technischen Fortschritt der letzten Jahre nimmt die Verbreitung und Nutzungsvielfalt von stereoskopischen Anwendungen im Arbeits-, Gesundheits-, und Freizeitbereich stetig zu. Hierbei werden den beiden Augen des Nutzers Bilder aus leicht unterschiedlichen Blickwinkeln präsentiert, wodurch ein 3D-Eindruck entsteht. Experimentelle Untersuchungen zeigen, dass dabei Entfernungen meist unterschätzt werden, wobei sich der räumliche Wahrnehmungseindruck interindividuell stark unterscheidet. Eine Schwierigkeit dieser Forschung besteht in der Messung der subjektiven räumlichen Wahrnehmung, da die Ergebnisse auf Basis verbaler Schätzungen und motorischer Handlungen häufig divergieren. Eine bislang wenig untersuchte, aber objektiv messbare Komponente der Entfernungswahrnehmung ist der mittels binokularen Eye-Tracking erfasste 3D-Blickort. Im Rahmen dieses Projektes wurden Algorithmen zur Auswertung dreidimensionaler Blickbewegungen weiterentwickelt und veröffentlicht, so dass erstmals eine komfortable Möglichkeit zur Bestimmung des dreidimensionalen Blickorts und dreidimensionaler Fixationen zur Verfügung steht. Unter Nutzung dieser Algorithmen wurde in mehreren Experimenten der 3D-Blickort mit verschiedenen anderen Maßen der Entfernungswahrnehmung (verbale Schätzung, Handlung mit und ohne Feedback) bei der Betrachtung stereoskopischer Inhalte verschiedener Komplexität verglichen. Die Ergebnisse zeigten, dass bei dem Großteil der Versuchspersonen der 3D-Blickort unabhängig von der Komplexität der stereoskopischen Visualisierung im Mittel der erwarteten Entfernung entsprach. Die Ergebnisse stützen damit Modelle der Vergenzsteuerung, die davon ausgehen, dass die Steuerung der Vergenz vorwiegend auf binokularer Disparität beruht. Jedoch war es einem relevanten Anteil von Versuchspersonen (etwa einem Fünftel) unmöglich bei geringer Komplexität der stereoskopischen Visualisierung ihren 3D-Blickort korrekt auszurichten, was zur Wahrnehmung von Doppelbildern führte. Eine komplexe Visualisierung dagegen ermöglichte allen Versuchspersonen eine korrekte Ausrichtung des 3D-Blickortes. Bezüglich der Zeigebewegung als Handlungsmaß zeigten sich große interindividuelle Unterschiede und eine Abhängigkeit von der Komplexität: Je mehr Tiefenreize zur Verfügung standen, desto genauer waren die Zeigebewegungen, wobei die Gewichtung verschiedener Tiefenreize interindividuell unterschiedlich war. Die Ergebnisse stützen damit auch Ideen, die Maxiumum Likelihood Modelle der Tiefenreizkombination um top-down Prozesse zu erweitern. Verbale Schätzungen waren das Maß der Entfernungswahrnehmung, das am meisten Streuung aufwies. Damit bestätigen die Ergebnisse frühere Befunde, die zeigen, dass Menschen sich schwer damit tun Entfernungen verbal zu schätzen und deutlich besser darin sind, eine Handlung in die wahrgenommene Entfernung auszuführen. Insgesamt zeigen die Ergebnisse des Projektes, dass die verschiedenen Maße der Entfernungswahrnehmung (verbal, handlungsbezogen, okulomotorisch) differenziert betrachtet werden müssen und eine Einbeziehung des 3D-Blickorts wertvolle zusätzliche Informationen liefern kann.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • (2016). Are age differences missing in relative and absolute distance perception of stereoscopically presented virtual objects? In Proceedings of the 22nd ACM Conference on Virtual Reality Software and Technology (pp. 307-308): ACM
    Schubert, R. S., Hartwig, J., Müller, M., Groh, R., & Pannasch, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1145/2993369.2996334)
  • (2016). Depth information from binocular disparity and familiar size is combined when reaching towards virtual objects. In Proceedings of the 22nd ACM Conference on Virtual Reality Software and Technology (pp. 233-236). New York, NY, USA: ACM
    Schubert, R. S., Müller, M., Pannasch, S., & Helmert, J. R.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.1145/2993369.2993408)
  • (2017). Gaze3DFix: Detecting 3D fixations with an ellipsoidal bounding volume. Behavior Research Methods, 1-12
    Weber, S., Schubert, R. S., Vogt, S., Velichkovsky, B. M., & Pannasch, S.
    (Siehe online unter https://doi.org/10.3758/s13428-017-0969-4)
  • (2017). Measuring distance perception with perceptual matching, reaching, and 3D-gaze position. 59. Tagung experimentell arbeitender Psychologen, Dresden, März 26 - 29
    Schubert, R. S., Jung, M., & Velichkovsky, B. M.
  • (2019). Size matters: Vergence movements are influenced by familiar size. 61. Tagung experimentell arbeitender Psychologen, London, April 15 - 17
    Schubert, R. S., Jung, M., Helmert, J. R., & Pannasch, S.
 
 

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