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Kulturelle Teilhabe und öffentliche Emanzipation. Über deutschsprachiges jüdisches Verlagswesen im 19. Jahrhundert

Antragsteller Dr. Arndt Engelhardt
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262106733
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Infolge der rasanten sozialen Wandlungen in ganz Europa seit Ende des 18. und dann vor allem in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts und der damit einhergehenden Säkularisierung auch der jüdischen Lebenswelten transformierte sich die Lese-, Sprach- und Kommunikationskultur der Juden in Europa von Grund auf. Der deutschen Sprache kam parallel dazu in Mittel- und Osteuropa zunehmend die Funktion einer transnationalen Sprache der Emanzipation, der Akkulturation und der Wissenschaften zu. Vor diesem Hintergrund hat das vorliegende Forschungsvorhaben die Grundentscheidung getroffen, gerade diese europäische und transnationale Struktur deutschsprachiger jüdischer Verlage aus einer rezeptionstheoretischen Perspektive in den Blick zu nehmen und sich dabei vor allem den ausbildenden Lesekulturen im langen 19. Jahrhunderts zu widmen. Die Kernthese des Bearbeiters lautet, dass wir erst durch eine sorgfältige Interpretation und historische Kontextualisierung dieser grenzüberschreitenden Literaturkonzepte ein wirkliches Verständnis jüdischer Textkulturen in Europa erlangen können. Dies erfordert – und wird in der vorliegenden Studie auch so umgesetzt – anhand ausgewählter Werke der Dissemination weit über die eigentlichen Grenzen des deutschen Nationalstaates einer wirkmächtigen Rezeptionsgeschichte bis nach Osteuropa und Übersee nachzugehen. Nicht nur die kulturellen und politischen Veränderungen, sondern auch die sozialen und materiellen Neuerungen und die damit verbundenen literarischen und wissenschaftlichen Veränderungen in der Kanonbildung werden durch eine historische und textanalytische Untersuchung exemplarischer Verlagswerke und deren ideengeschichtliche Einordnung sichtbar gemacht. Der historische Hintergrund ist der Übergang aus einer traditionell gefassten Lebenswelt und der Versuch der Teilhabe an der zunächst als offen und gestaltbar verstandenen deutschsprachigen Kultur noch vor der Nations- und Staatswerdung. Als erstes paradigmatisches Beispiel (gleichzeitig Kapitel 1 der Studie) wird die Produktion des Verlags „Veit & Comp.“ von Mitte der 1830er Jahre bis etwa 1860 nachvollzogen. Das zweite Exempel (Kapitel 2) widmet sich dem Konzept und dem Aufbau des „Instituts zur Förderung der israelitischen Literatur“ im Zeitraum zwischen 1855 und 1873. Ein drittes Beispiel (Kapitel 3) verfolgt daran anschließend für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts das Judaica-Programm von „F. A. Brockhaus“ in Leipzig; die Besonderheit des dritten Kapitels besteht dabei darin, dass hier ein prominentes und im nichtjüdischem Besitz stehendes Verlagshaus eine Sparte seiner Produktion über viele Jahrzehnte durchaus erfolgreich mit jüdischen und orientalistischen Publikationen bestritt. Neben einer Untersuchung der – vielfach populären – Themen und auch der spezifischen typographischen Gestaltung dieser Texte werden im Rahmen der Studie vor allem die Produktions- und Vertriebswege zentraler literarischer und wissenschaftlicher Publikationen sowie deren Austausch, Vorbilder und Konkurrenzen im allgemeinen Buchwesen betrachtet. Der Korpus der deutschsprachigen Literatur und der Wissenschaft des Judentums im 19. Jahrhundert wurde vom Bearbeiter bereits zu großen Teilen rekonstruiert; die derzeitige Arbeit fokussiert auf die Medien und die Strategien der Kommunikation (darüber liegen Teilkapitel vor), in denen Wissen von Juden und Wissen über Juden im Buchhandel im 19. Jahrhundert tradiert wurde. Die abgeschlossene Studie soll die Tätigkeit und Wirkung der drei genannten Verlagsunternehmen im deutschen Sprachraum vor dem Hintergrund der politischen und sozialen Modernisierungsprozesse der Judenheiten jener Zeit exemplarisch sichtbar machen.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

  • Bildung und Teilhabe. Moritz Veit als Verleger im Zeitalter der Emanzipation, in: Stephan Braese/Daniel Weidner (Hgg.), “Meine Sprache ist Deutsch.” Deutsche Sprachkultur von Juden und die Geisteswissenschaften, 1870–1970 (LiteraturForschung; 25), Berlin: Kulturverlag Kadmos 2015, 107–128
    Arndt Engelhardt
  • Modernes Design hebräischer Lettern. Eine neue Ausstellung im “Israel Museum” zu Typographie und Buchkunst, in: Jüdische Rundschau 2 (2015), Nr. 11, 26 f.
    Arndt Engelhardt
  • Über Bewegung und Stillstand im öffentlichen Raum: Simon Dubnow und die russisch-jüdische Publizistik in den 1880er Jahren, in: Jahrbuch des Simon-Dubnow-Instituts/Simon Dubnow Institute Yearbook 14 (2015), 423–445
    Arndt Engelhardt
  • Ein Paradigma der Moderne. Jüdische Geschichte in Schlüsselbegriffen. Festschrift für Dan Diner zum 70. Geburtstag, Göttingen/Bristol, Conn.: Vandenhoeck & Ruprecht 2016
    Arndt Engelhardt zusammen mit Lutz Fiedler/Elisabeth Gallas/Natasha Gordinsky/Philipp Graf (Hgg.)
 
 

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