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Interessenvertretung in nationalen und transnationalen Handlungsräumen: Unternehmensrestrukturierung und das Problem der Interessenartikulation

Fachliche Zuordnung Empirische Sozialforschung
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262236404
 
Erstellungsjahr 2019

Zusammenfassung der Projektergebnisse

In MNUs gibt es verschiedene Gremien und Akteure der Interessenvertretung abhängig Beschäftigter. Sie sind an verschiedenen Standorten und auf verschiedenen Ebenen (lokal, national und transnational) angesiedelt und stehen miteinander in Beziehung. Transnationale Gremien wie Europäische Betriebsräte setzen sich aus Beschäftigtenvertreter*innen zusammen, die in der Regel gleichzeitig Mitglieder nationaler oder lokaler Gremien (z.B. Gesamtbetriebsräte oder lokale Betriebsräte) sind. Die Verbindungen zwischen diesen Gremien wurde bislang nur wenig erforscht, obgleich es Hinweise darauf gibt, dass die Interessenvertretungspraxis und der Erfolg von Beschäftigtenvertretungen nicht unwesentlich vom Zusammenspiel der Gremien auf den verschiedenen Ebenen beeinflusst werden. Im Zentrum des Forschungsprojektes stand eine theoriegeleitete qualitative Erhebung in zehn MNUs. Das Theoriekonzept wurde aus unterschiedlichen theoretischen Ansatzpunkten gebildet, die im Artikulationskonzept gebündelt wurden. Artikulation bezieht sich auf die Handlungsmuster der Integration und Koordinierung von Interessen auf und zwischen unterschiedlichen Handlungsebenen. Auf dieser Grundlage wurde in den zehn Untersuchungsfällen – und dort im Vergleich mindestens dreier Standorte und Länder – untersucht, wie Akteure in ihrem Interessenhandeln auf typische Deutungsmuster rekurrieren und spezifische Machtquellen nutzen, um Verbindungen zwischen verschiedenen Handlungsräumen (auf den verschiedenen Ebenen) der Interessenvertretung zu knüpfen und ihre Interessen zur Geltung zu bringen. Ergebnisse des Projektes sind eine Typologie der Artikulationsmuster, Erkenntnisse über Mechanismen der Artikulation und empirisch gestützte Annahmen über die Faktoren, die die Stärke der Artikulation und auch den „Output“ von Interessenvertretung erhöhen. Konzeptuell wurden vier Typen der Artikulation unterschieden, die an der Stärke der jeweiligen Artikulation auf der horizontalen transnationalen Handlungsebene und in den vertikalen Beziehungen zu den nationalen und lokalen Handlungsebenen (z.B. zwischen EBR und Konzernoder lokalem Betriebsrat) gemessen wurden. Auf diesen Achsen wurde vier Artikulationsmuster abgetragen, ein Muster mit einem niedrigen Koordinations- und Integrationsniveau (Disartikulation), ein Muster mit einem niedrigen Koordinationsniveau, aber einem höheren Niveau der Integration (Internationale Integration), ein Muster mit einem hohen Niveau an Koordination und einem niedrigeren Integrationsniveau (Fragmentierte Koordination) und ein Muster mit hohen Niveaus in beiden Dimensionen (Umfassende Artikulation). In der empirischen Untersuchung konnten wir unterschiedliche Mechanismen der Artikulation identifizieren, die Aufschluss darüber wie Integrations- und Koordinationsprozesse funktionieren und die sich für eine weitergehende Theoretisierung der Artikulation eignen. Der Erfolg der Interessenvertretungspraxis steigt tendenziell mit der Stärke der Artikulation, weil stark artikulierte Interessenvertretungssysteme geteilte Deutungen, Vorstellungen, Vertrauen und Solidarität entwickeln, und weil in ihnen Machtquellen, die in unterschiedlichen Handlungsfeldern liegen, gebündelt und für Zwecke der transnationalen Interessenvertretung eingesetzt werden. Faktoren, die die Artikulationsstärke positiv beeinflussen sind das Vorhandensein engagierter Akteure (Schlüsselpersonen) mit „social skills“, die Entwicklung geteilter Deutungen im Hinblick auf die Sinnhaftigkeit kollektiver transnationaler Interessenvertretung, aber auch eine kooperative Einstellung im Management. Eine zentrale Rolle für die Artikulationspraxis kommt den deutschen Interessenvertretungen zu. Diese beruht vor allem darauf, dass die deutschen Betriebsräte ihre im Vergleich überlegenen organisatorischen und institutionellen Machtressourcen zur Unterstützung transnationalen Handelns der Interessenvertretungen in den MNU nutzen. Grundlage dafür ist ein gemeinsam geteiltes Verständnis des Mehrwerts der transnationalen Handlungsebene.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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