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GRK 2112:  Molekulare Biradikale: Struktur, Eigenschaften und Reaktivität

Fachliche Zuordnung Physikalische Chemie
Förderung Förderung von 2015 bis 2020
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262511252
 
Erstellungsjahr 2022

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Biradikale sind eine faszinierende Klasse von Molekülen, deren elektronische Struktur durch zwei ungepaarte Elektronen in entarteten oder fast entarteten Molekülorbitalen gekennzeichnet ist. Ihre Eigenschaften unterscheiden sich drastisch von denen geschlossenschaliger Moleküle. Sie spielen eine wichtige Rolle als Intermediate in komplexen chemischen Reaktionen, Verbrennungsprozessen, in der interstellaren sowie der Atmosphärenchemie, aber auch als Prüfstein für bindungstheoretische Modelle. Darüber hinaus sind sie aufgrund ihrer elektronischen Eigenschaften auch für optoelektronische Materialien interessant. Das Ziel des Graduiertenkollegs GRK 2112 war es, neue Wege zur Synthese biradikalische Systeme zu finden, sie zu untersuchen, ihre physikalischen Eigenschaften zu verstehen und ihre chemischen Eigenschaften gezielt zu beeinflussen. Borhaltigen Biradikale und Biradikaloide stellen eine Substanzklasse dar, mit der das GRK 2112 wissenschaftliches Neuland betrat. Sie wurden über einen weiten Größenbereich synthestisiert und untersucht, vom einfachen Diboren HBBH bis zu großen Biradikalen. Je nach Ligand am Bor liegen die B-B Einheiten entweder in einer B=B Doppelbindung oder verdrillt als echte Biradikale vor. Ein besonderes wissenschaftliches Highlight war die Erkenntnis, dass reaktive Borverbindungen für die Fixierung von Stickstoff geeignet sind. Als produktiv erwies sich die Zusammenarbeit mit der theoretischen Chemie, die über die Laufzeit des GRK hinaus fortgesetzt wird. So zeigte eine theoretische Analyse, dass neben sterischen auch elektronische Effekte für das unterschiedliche Verhalten der Borverbindungen verantwortlich sind. Mehrere reaktive Borverbindungen wurden in der Gasphase spektroskopisch charakterisiert, darunter Diboren, der Prototyp eines anorganischen Biradikals, das verwandte Iminoboran H-B=N-H aber auch so fundamentale Moleküle wie das BH2 und das als Wasserstoffspeicher diskutierte Amminboran, NH3BH3. Als zweite neue Substanzklasse wurden π-konjugierte Biradikale und Biradikaloide erforscht, die auf Pigmentchromophoren basierten. Der Gruppe von F. Würthner gelang es, eine Reihe von Chromophoren (Perylenbisimide, Diketopyrrolopyrrole sowie Isoindigoderivate) mit jeweils zwei 4-Hydroxyarylsubstituenten auszustatten und diese nach Oxidation in bemerkenswert luftstabile biradikaloide Farbstoffe umzuwandeln. In Abhängigkeit von der Kerneinheit sowie den zwischengeschalteten π-konjugierten Einheiten konnte der biradikalische Charakter und damit die elektronischen Eigenschaften moduliert werden. Weiterhin wurden in molekularen Triaden biradikalische Zustände durch Lichtanregung generiert und die photoinduzierte Dynamik durch zeitaufgelöste Spektroskopie untersucht. Magnetfeldabhängige Messungen führten zu einer Zeeman-Aufspaltung des Triplett-ladungsgetrennten Zustandes und erlaubten es, die Spin-Chemie zu untersuchen und zu verstehen. Ein weiteres Ziel war es, die Struktur und Dynamik angeregter elektronischer Zustände sowie die Mechanismen chemischer Reaktionen von Biradikalen in Gasphase und Lösung experimentell und theoretisch zu charakterisieren. Dazu wurden moderne spektroskopische Methoden wie fs-zeitaufgelöste Spektroskopie oder Photoionisation mit Koinzidenz-Methoden mit aufwendigen theoretischen Ansätzen kombiniert, wie on the fly surface hopping dynamics oder hochkorrelierten quantenchemischen Methoden. Dieser konzertierte Ansatz ermöglichte detaillierte Einblicke in die chemische Dynamik von Biradikalen. In einer Kooperation der Gruppen Brixner, Mitric, Marder und Steffen gelang es, ein ortho-Benz-in Derivat als Zwischenstufe in einer photochemischen hexadehydro-Diels–Alder Reaktion nachzuweisen. Beispielhaft ist auch eine Kooperation, in der es den experimentellen Gruppen Brixner, Dyakonov/Sperlich und Fischer gemeinsam mit der Theoriegruppe Engels gelang, die Reaktionen von Diphenylpropargylen (C6H5-CCC-C6H5) in Ethanol und Dichlormethan aufzuklären. Ein Highlight im Bereich der Gasphasenspektroskopie war die Beschreibung des Cyclobutadiens, C4H4 durch Schwellenphotoelektronenspektroskopie. Das C4H4 ist eines der fundamentalen Modelle für Biradikalität und Antiaromatizität und zeichnet sich durch vibronische Kopplung sowohl in der Neutralverbindung als auch im Kation aus. Zusätzlich erweiterten wir das Methodenarsenal, um neue Fragestellungen zu adressieren und etablierten die zeitaufgelöste Spektroelektrochemie. Damit kann nun auch die Dynamik ionischer Biradikale in Lösung studiert werden. Zusammengefasst wurden fast alle ursprünglich anvisierten wissenschaftlichen Ziele erreicht und neue Projekte aus dem GRK heraus gestartet.

Projektbezogene Publikationen (Auswahl)

 
 

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