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Radio "Majak" - Identitätsstiftung und soziale Differenzierung durch Radio in der sowjetischen nachstalinistischen Gesellschaft, 1964-1991

Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Förderung Förderung von 2014 bis 2017
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262727926
 
Der Radiosender Majak hatte in der Sowjetunion eine besondere Stellung. Im Gegensatz zu den ubrigen drei unionsweit empfangbaren Radiosendern begann Majak nach einem ZK-Beschluss vom 1. August 1964 die Ausstrahlung als Konkurrenz zu den Westsendern Radio Liberty, Voice of America und BBC. Majak sollte die in der Bevolkerung vorhandene Nachfrage nach Musik und Informationen decken, die uber die standardisierten Pravda-Meldungen hinausgingen (Makoveev). Immerhin war Radio in der Sowjetunion das wichtigste Massenmedium fur Informationen und Unterhaltung, bis sich ab den 1970er Jahren seine Rolle durch die aufkommende Verbreitung des Fernsehens veranderte (Roth-Ey 2003, S. 257-260). Radio war - und ist - zentrales, auch strukturierendes Element des Alltags, das uber Nachrichten und ahnliche Informations- und Unterhaltungsdienstleistungen Aktualitat in einer parasozialen Form vermittelt (vgl. Prost 1999, Marquis 1999, S. 30).Als Musik- und Informationsprogramm (Muzykal'no-informacionnaja programma), das sich durch halbstundliche kurze Nachrichtenblocke von 5 Minuten Lange und 25-minutige Musikblocke gestaltete und strukturierte, bot Majak mit diesem fur einen sowjetischen Sender neuen Sendeformat ungekannte Aktualitat und Programmflexibilitat. Gleichzeitig stiftete der Sender durch seine Erkennungsmelodie 'Moskauer Nachte' (Podmoskovnye ve¿era), die auch heute noch von Majak verwendet wird, Identifikation und hatte einen enormen Wiedererkennungswert. Nicht nur die guten unionsweiten Empfangsmoglichkeiten des Senders, sondern auch sein als charismatisch empfundenes Redaktionsteam boten weitere Identifikationsmoglichkeiten, was sich auch in zahlreichen Leser- und Horerzuschriften widerspiegelt. Zu den prominentesten Mitgliedern der Redaktion gehorten der spater auch in der Perestrojka aktive Mitbegrunder A. N. Jakovlev und der erste Chefredakteur Ju. A. Letunov.Das Teilprojekt vereint Ansatze der Medien- und Kommunikationswissenschaft mit solchen der Soziologie und Geschichtswissenschaft. Im Kontext des Gesamtprojektes 'Radiomachen und Radiohoren. Aneignungen eines Mediums im geteilten Europa von Moskau bis Madrid' beschaftigt sich dieses Teilprojekt mit den Wechselwirkungen zwischen Medien und der Gesellschaft sowie mit Interaktionen zwischen Regime, Medienmachern und Publikum als Akteuren. Daraus ergeben sich die drei Hauptfragen des Projekts nach den Funktionen des Radiosenders Majak im Bre¿nevschen System und in der Perestrojka, seinem Konzept und dessen Erfolg. Damit verbunden ist die Frage, inwieweit Majak spezifische Teiloffentlichkeiten schuf und welche Diskurse in diesen auserhalb der Dichotomie von Regime und Gesellschaft stattfanden. Auf diese Weise soll ein Beitrag zur Formulierung eines Offentlichkeitsbegriffes fur die poststalinistische Gesellschaft geleistet werden, der sich von den Konzepten einer 'atomisierten' Gesellschaft distanziert und mogliche Handlungsspielraume gesellschaftlicher Teilgruppen und Individuen offenlegt.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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