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Prekarie, Leibding, feudum: Vorsorge, Versorgung, und die Dichotomie der Gesellschaft nördlich der Alpen, 11. bis 14. Jahrhundert

Antragsteller Dr. Marco Veronesi
Fachliche Zuordnung Mittelalterliche Geschichte
Förderung Förderung von 2014 bis 2019
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 262827770
 
Während sich die Mediävistik bisher mit den verschiedenen Formen der karitativen Armenfürsorge im Früh- und Hochmittelalter beschäftigte, wurden Formen der individuellen Vorsorge für Alter, Krankheit oder Armut bisher kaum beachtet. Ältere Ansätze, die in den früh- und hochmittelalterlichen Prekarien die Vorläufer der spätmittelalterlichen 'Leibdinge' oder 'Leibrenten' erblickten und ihre Verwendung bei wohlhabenden Schichten zwischen Adel und Bauern sahen, fielen einer sich im Laufe des 19. Jahrhunderts etablierenden Scheidung zwischen 'höheren' und 'niederen' Leiheformen und einer damit einhergehenden dichotomischen Sichtweise auf die mittelalterliche Gesellschaft zum Opfer. In deren Gefolge wurde nur noch das 'höhere' Lehnswesen oder aber die 'Grundherrschaft' in den Blick genommen, während prekarische Leihen in diesem Modell pauschal den bäuerlichen Leihen zugeschlagen oder überhaupt nicht mehr beachtet wurden. Damit führt das Thema der individuellen Vorsorge mitten in die seit Susan Reynolds Fiefs and Vasalls von 1994 geführten Diskussionen um die Entstehung des Lehnswesens, in deren Gefolge vor allem in der deutschsprachigen Forschung die Prekarie nicht mehr nur als prototypisches Lehen, sondern als noch im Hochmittelalter verbreitete Vertragsform mit hoher ökonomischer und sozialer Relevanz in den Blick genommen wurde. Gleichzeitig wurden Prekarien in der jüngsten Forschung wiederholt mit 'kleineren' Formen von Lehen, etwa Kammer- oder Rentenlehen, in Verbindung gebracht, die unter dem Aspekt der 'Versorgung' betrachtet werden können. Das Ziel der Projekts besteht damit in einer grundlegenden Untersuchung der Formen von Vorsorge und Versorgung vom 11. bis zum 14. Jahrhundert und deren Verortung in einem inzwischen unter neuen Vorzeichen betrachteten, für die frühere Zeit sich gar völlig auflösenden 'Lehnswesen'. Das Projekt wird zunächst anhand der urkundlichen Überlieferung bayerisch-fränkischer sowie mittelrheinischer Klöster Fallbeispiele erarbeiten, die den Vorsorgecharakter prekarischer Leihen aufzeigen sollen. Gleiches soll anhand von Urbaren und Lehnsbüchern für die 'kleineren' Formen von Lehen unternommen werden. Eine Übertragung der anhand solcher Fallstudien gewonnenen Kriterien auf den gesamten Quellenbestand sowie die Auswertung klösterlicher und städtischer Rechnungen wird eine tragfähige sozialgeschichtliche Einordnung sowohl von Prekarien als auch von 'kleineren' Lehnsformen erlauben. Ein diskursanalytischer Zugang wird schließlich auch narrative Quellen und Rechtsquellen wie Weistümer in die Untersuchung miteinbeziehen, um entsprechende Diskurse etwa einer 'öffentlichen Wohlfahrt' offenzulegen.
DFG-Verfahren Sachbeihilfen
 
 

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