Detailseite
Projekt Druckansicht

Alte und neue Loyalitäten in Preußens Osten und Polens Westen. Die Posener Region und Oberschlesien, 1871-1939

Antragsteller Dr. Pascal Trees
Fachliche Zuordnung Neuere und Neueste Geschichte (einschl. Europäische Geschichte der Neuzeit und Außereuropäische Geschichte)
Grundlagen des Rechts und der Rechtswissenschaft
Politikwissenschaft
Soziologische Theorie
Förderung Förderung von 2014 bis 2018
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 263029695
 
Erstellungsjahr 2018

Zusammenfassung der Projektergebnisse

Die aus dem Projekt hervorgehende Monographie wendet Konzepte und Methoden aus der Loyalitätenforschung auf die polnische Minderheit in den östlichen Provinzen Preußens bzw. des Deutschen Reiches an, die sich nach dem Ersten Weltkrieg in den westlichen Wojewodschaften der Zweiten Polnischen Republik wiederfand und dort nunmehr Mehrheitsbevölkerung und die Titularnation repräsentierte. Sie weist nach, dass die Institutionen des preußischen Staats bei einer immer schärferen politischen Strategie der „Germanisierung“ gleichzeitig versuchten, „Treue“ auch bei den polnischen Untertanen zu erzeugen und dabei trotz oft untauglicher Mittel in dem Sinne teilweise erfolgreich waren, dass die polnische Bevölkerung nicht nur in der Regel ihre gesetzlichen Verpflichtungen - von der Schulpflicht bis zur Wehrpflicht - erfüllte, sondern mitunter auch freiwillig an entsprechenden Feierlichkeiten teilnahm. Dieses Phänomen war trotz extremer Ausnahmeerescheinungen wie dem Schulstreik und gegen das Erstarken der polnischen Nationalbewegung bis in den Ersten Weltkrieg hinein zu beobachten. Eine Rezeption, geschweige denn eine Verinnerlichung des spezifischen deutschen Treuediskurses durch die polnische Bevölkerung war indes nicht festzustellen, und auch die formale Gewährung der „Treue“ zum Hohenzollernstaat endete sichtbar, als die Entstehung eines unabhängigen Polen unter Einschluss der östlichen Provinzen Preußens in Aussicht stand. Der aus der Soziologie entliehene Gedanke, dass „Treue“ und „Loyalität“, einmal entstanden, auch nach einer von außen bewirkten Zäsur wie einem Herrschaftswechsel nicht ohne weiteres gleich verschwinden, ließ sich anhand polnischer Quellen aus den 1920er und 1930er Jahren für das Verhältnis zu Preußen bedingt belegen: Immer wieder wiesen Berichterstatter verschiedener polnischer Behörden und Institutionen darauf hin, dass in den Grenzgebieten physische Relikte der preußischen Zeit nur langsam verschwanden und überkommene Gewohnheiten im Umgang mit einer Institution wie der Schule sich erst allmählich veränderten. Zugleich hatten die Institutionen des neuen polnischen Staates mitunter Schwierigkeiten, die in preußischer Zeit entstandenen Anspruchshaltungen der Bevölkerung zu erfüllen. Nicht zuletzt zeigten bestimmte Berufsgruppen, die ihre Ausbildung in Preußen erhalten und einen Teil ihres Arbeitslebens dort verbracht hatten, eine deutliche Neigung zur abschätzigen Abgrenzung von den neuen Kollegen, die aus den anderen ehemaligen Teilgebieten Polens in den Westen kamen. Ein Teil der Schwierigkeiten des polnischen Staates, auch bei seinen mutmaßlich unproblematischen, polnisch-katholischen Bürgern Loyalität zu erzeugen und abzurufen, lässt sich so erklären, allerdings nicht alle: Speziell die häufige Desertion der Wehrpflichtigen aus dem polnisch-sowjetischen Krieg war eher auf Kriegsmüdigkeit nach dem Weltkrieg und schiere Angst um Leib und Leben zurückzuführen als auf die Sozialisierung unter einer anderen Herrschaft. Dagegen waren Fahnenflüchtige in den folgenden Friedensjahren speziell im oberschlesischen Grenzgebiet aus Sicht der polnischen Militärgendarmerie besorgniserregend zahlreich, und auch der Prozentsatz der Gestellungsverweigerer war mit rund zehn Prozent frappierend hoch. Dem polnischen Schulwesen fehlte in den wenigen Jahren bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs offenbar schlicht die Zeit, um allzu nachhaltig auf staatsbürgerliche, „loyale“ Haltungen hinzuwirken. Die Regierungen bzw. die regierenden Parteien suchten nach dem Maiputsch von 1926 und besonders in der sich zuspitzenden internationalen Lage in den späten 1930er Jahren, das Ausland von der Einigkeit der polnischen Nation zu überzeugen und erklärten daher - mit begrenztem Erfolg -den Wahlakt zu einer patriotischen Pflicht. Von den Grenzen und dem Ende der Loyalität gegenüber dem polnischen Staat zeugen Strafprozessakten, die wegen des Delikts der Verhöhnung des polnischen Staates und der polnischen Nation angelegt wurden und Licht auf Situationen und Zusammenhänge werfen, in denen bestimmte „staatsfeindliche“ Äußerungen fallen.

 
 

Zusatzinformationen

Textvergrößerung und Kontrastanpassung