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Evidenzbasierte Jurisprudenz. Methoden empirischer Forschung und ihr Erkenntniswert für das Recht am Beispiel des Gesellschaftsrechts

Fachliche Zuordnung Öffentliches Recht
Förderung Förderung von 2014 bis 2015
Projektkennung Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) - Projektnummer 263348997
 
Recht kann ohne Sachwissen nicht sachgerecht sein. Um in einer komplexen und zunehmend vernetzten Lebenswelt allgemeingültige Regeln setzen und anwenden zu können, bedarf die Rechtswissenschaft verlässlichen Wissens über empirische Wirkungszusammenhänge. Dafür berufen sich Juristen bislang oft auf die 'amorphe Erfahrungssättigung' des Rechts als Erkenntnisquelle allgemeiner 'Erfahrungssätze'. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass solch anekdotisches Erfahrungswissen zwar nützlich ist, aber oft auch in die Irre führt. Daher fragt sich, wie Rechtswissenschaft und Rechtspraxis (Jurisprudenz) empirische Erkenntnisse systematisch und regelgeleitet rezipieren und für spezifisch juristische Anliegen fruchtbar machen können.Um diese Frage zu beantworten, sucht die Arbeit Anregungen in anderen Praxisdisziplinen, die eine Brücke zur Grundlagenforschung schlagen mussten, und findet sie vor allem in der Medizin. Das dort entwickelte Prinzip der 'Evidenzbasierung' wird auf die Jurisprudenz übertragen und in ein geschlossenes Konzept überführt, das erstmals die Methoden der quantitativ-empirischen Forschung für Juristen mit ihrem spezifisch normativen Erkenntnisinteresse aufbereitet. Die Arbeit entwickelt praktische Rezeptionsgrundsätze (Faustregeln), um Juristen bei der Würdigung empirischer Studien zu helfen und ihnen die Grenzen empirischer Methodik bewusst zu machen. Eine der zentralen Schlussfolgerungen aus dieser Untersuchung lautet, dass Juristen bei der Sichtung empirischer Forschung weniger auf einzelne anschauliche Studien vertrauen, sondern Forschungssynthesen und Metastudien heranziehen sollten.Diese Rezeptionslehre wird an konkreten Beispielen aus dem Recht der Unternehmen erprobt. Dazu systematisiert die Arbeit zunächst die bisherige empirische Unternehmensrechtsforschung in Deutschland und den USA, bevor sie für eine Frage aus dem Recht der Vorstandsvergütung verschiedene empirische Herangehensweisen darstellt, um ihre Potentiale und Grenzen herauszuarbeiten. Schließlich untersucht sie ausführlich einen Themenkomplex, der im Gesellschaftsrecht als 'Kollegialprinzip' bekannt ist. Dieses Prinzip wird rechtsdogmatisch präzisiert, in zwanzig verschiedenen Rechtsordnungen nachgewiesen und anschließend mit den zuvor entwickelten Instrumenten einer 'evidenzbasierten Jurisprudenz' untersucht. Dabei erweisen sich einige der Annahmen über menschliches Entscheidungsverhalten, die dem Kollegialprinzip zugrunde liegen, als sehr fragwürdig.Evidenzbasierte Jurisprudenz darf demnach als transdisziplinäres Konzept zur systematisch disziplinierten Wirklichkeitserkenntnis für praktische Zwecke verstanden werden. Sie hilft dabei, den Umgang des Rechts mit der Realität bewusst und kritisch zu reflektieren, und juristische Entscheidungsgrundlagen langfristig zu verbessern.
DFG-Verfahren Publikationsbeihilfen
 
 

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