Schellings Philosophie der menschlichen Freiheit
Zusammenfassung der Projektergebnisse
Das Projekt erprobte ein innovatives Konzept, bei dem ein Kreis internationaler Kooperationspartnerinnen und -partner die Projektforschungen kritisch aufnimmt und eigene Beiträge daran anknüpft, welche in Diskussion mit den Projektbeteiligten kontinuierlich weiterentwickelt werden. Als Forum dafür dienten zwei konsekutive Tagungen in München. Der aus der Kooperation hervorgegangene, sorgfältig edierte Sammelband (Schellings Freiheitsschrift – Methode, System, Kritik. Tübingen 2021) setzt in zweierlei Hinsicht Maßstäbe: zum einen durch den theorieaffinen Zugriff, der den systematischen Vergleich mit den wichtigsten Philosophen aus Schellings Zeit (insbesondere Kant) ebenso wenig scheut wie mit den Vertreterinnen und Vertretern gegenwärtiger analytischer Philosophie. Zum anderen durch seine thematische Geschlossenheit bei gleichzeitig kontroverser Vielfalt der Interpretationsweisen und philosophischen Positionen. Im Einzelnen konnten folgende Projektziele schlüssig erreicht und durch die jeweils unterstützenden Argumente in publizierter Form auch für die Forschung allgemein zugänglich gemacht werden: 1. Eine kompatibilistische Deutung des Lehrstücks der ‚intelligiblen Tat‘ unter Berücksichtigung aller von früherer Forschung vorgebrachten systematischen Einwände. 2. Eine Lösung des ‚Indifferenzproblems‘, dass die menschliche Freiheitstat auch außerhalb des Sukzessionskontexts natürlicher Prozesse nicht ohne bestimmte Voraussetzungen und Gründe einsetzt und sich vollzieht. 3. Eine Lösung des ‚Zeitproblems‘, inwieweit Schelling Ansätze für einen neuen Zeitbegriff bietet, der es erlaubt, sowohl empirische wie auch überempirische Züge von Handlung in einem gemeinsamen Ablaufkontext zu beschreiben. 4. Beantwortung der Frage, wie sich Schellings kompatibilistischer Vorschlag zu zentralen Argumenten der analytischen Freiheitsdiskussion verhält (vor allem G. Strawsons Argument gegen die Möglichkeit von Letztverantwortung und P. van Inwagens dilemmatische Inkompatibilität der Freiheit sowohl mit deterministischen wie indeterministischen Kontextbedingungen). 5. Nachweis der rationalen Lösbarkeit des theologischen Kompatibilismusproblems, d.h. der Vereinbarkeit menschlicher Freiheit mit göttlicher Allmacht und Providenz. 6. Eine kritische Würdigung des moralphilosophischen ‚Upshots‘ der Freiheitsschrift. Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Projekt einen sichtbaren Beitrag zur internationalen Schellingforschung geleistet hat. Neben der sorgfältigen Interpretation des Schelling’schen Gedankens kann die Erschließung neuer Diskussionsfelder, die Schellings Freiheitsphilosophie für viele philosophische Disziplinen fruchtbar macht, als entscheidende Errungenschaft der mehrjährigen Forschungen angesehen werden.
Projektbezogene Publikationen (Auswahl)
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„Freiheit unter Bedingungen der Zeit? Schellings neuer Zeitbegriff im Nachgang zur Freiheitsschrift“, in: Kant-Studien 111 (2020), 190–223
Thomas Buchheim
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Schellings Freiheitsschrift – Methode, System, Kritik (Collegium Metaphysicum 26), Tübingen: Mohr Siebeck 2021
Th. Buchheim, Th. Frisch und N.C. Wachsmann (Hrsg.)
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„Freiheit und Geschichtlichkeit. Die Situation der ‚intelligiblen Tat‘ bei Kant und Schelling‘, in: Schellings Freiheitsschrift – Methode, System, Kritik, 345–369
Nora C. Wachsmann
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„Schellings Konzept der ‚intelligiblen Tat‘. Kritische Angriffe und Chancen der Verteidigung, in: Schellings Freiheitsschrift – Methode, System, Kritik, 265–279
Thomas Buchheim
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„Schellings Theodizee zwischen Leibniz und Plantinga“, in: Schellings Freiheitsschrift – Methode, System, Kritik, 439–465
Thomas Frisch
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„‚Ultimate Responsibility‘ without causa sui: Schelling’s Intelligible Deed of Freedom contra Galen Strawson’s Argument“, in: Philosophisches Jahrbuch 128 (2021/II)
Thomas Buchheim